Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 22

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Form der Grundversorgung, der Mindestversorgung, der Absicherung eingestellt haben, möglicherweise eine andere, aber gleichwertige Versorgung anzubieten.

Wenn wir von Flexibilität auf so vielen Gebieten reden, dann kann diese Flexibilität politisch nicht mit einer Vernichtung von in vielen Jahrzehnten gewachsenen Rechtsausstattungen gleichgesetzt werden, Rechtsausstattungen zugunsten der Bürger, sondern Flexibilisierung muß mehr Möglichkeiten bieten, aber das gleiche Maß an Sicherheit und Absicherung.

Wenn hier ein leidenschaftliches Bekenntnis gegen jeden Manchester-Liberalismus ausgesprochen wurde, dann ist auch klar, was wir damit meinen. Flexibilisierung in der Arbeitswelt heißt Nutzung von Ressourcen, es bedeutet nicht eine günstigere Gestaltung der Arbeitskosten durch eine Vernichtung von Arbeitnehmerrechten. Flexibilisierung in der sozialen Versorgung heißt, auf konkrete und zum Teil neu entstandene Bedürfnisse eingehen, heißt, vom Gießkannenprinzip abgehen und hinorientieren auf jene, bei denen das Bedürfnis am größten ist. Es kann aber nicht heißen, daß die große Mehrheit der Bevölkerung in ihren sozialen Rechten, in ihren Anspruchserwartungen beschnitten wird.

Diese Bundesregierung hat auf der Basis eines Programms, das sie sich vor einem Jahr gegeben hat, manches, in ihrer bisherigen Zusammensetzung für die kurze Zeit vieles erreicht. Sie hat große Aufgaben vor sich, und es ist keine Frage, daß die konstruktive Mitarbeit des Parlaments, der Bevölkerung und der Medien erforderlich ist.

Die personelle Neugestaltung der Bundesregierung stellt ein inhaltliches, ein politisches Signal dar. Es ist keine Frage, daß eine neue Generation von Politikern angetreten ist, daß in einer neuen Zeit – wir sprechen alle von der Jahrtausendwende – in vielen Bereichen andere politische Methoden, auch andere persönliche Vorgangsweisen, aber jedenfalls eine neue Generation erforderlich sind.

Was mich mit großer Freude erfüllt, ist die Tatsache, daß in dieser kurzen Zeit ganz offensichtlich in diesem Land sehr viele Menschen verstanden haben, worum es geht. Viele Menschen geben bei Meinungsumfragen und in persönlichen Stellungnahmen zu erkennen, wie sehr sie bereit sind, an einem solchen Aufbruch – und es ist ein Aufbruch – mitzuarbeiten und diesen zu unterstützen.

Wir sollten in unserer politischen Arbeit, in unserem kritischen Dialog mit der Regierung eine Haltung entwickeln, die deutlich macht, wie sehr diese Aufbruchsstimmung für Neues genutzt werden kann. Das ist eine Einladung, die letztlich an uns alle ergeht. Es ist keine Frage, daß ein Wettstreit der Ideen und der Konzepte notwendig ist, aber es soll ein Wettstreit des Optimismus sein, ein Wettstreit der Zukunftsgestaltung und eben nicht ein Wettstreit des Kleinmuts.

"Österreich über alles, wenn es nur will" ist eine berühmte Schrift aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das bleibt unverändert richtig. Ob wir wollen, das hängt von uns ab. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Schambeck. – Bitte.

10.27

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Eine Regierungserklärung ist ein Erfüllungsversprechen und kein Hoffnungskauf und auch kein ungedeckter Wechsel. Sie ist eine Absichtserklärung, und wir freuen uns, daß Sie, Herr Bundeskanzler, die Tradition fortsetzen, die unter Bundeskanzler Ing. Julius Raab begonnen wurde, daß nämlich neben der Vorstellung der neugebildeten Bundesregierung und der Erklärung des Bundeskanzlers im Nationalrat auch eine Erklärung im Hinblick auf den Föderalismus in der Länderkammer erfolgt, obgleich der Nationalrat und nicht der Bundesrat das Recht zur Mißtrauensvotierung hat und hier eine qualifizierte politische Verantwortung besteht.


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