Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 23

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Im Hinblick auf die Entwicklung der politischen Kontrollrechte der Länderkammer in den letzten Jahren – in begrüßenswerter Weise besteht eine politische und rechtliche Verantwortung, die aber sanktionslos ist – wissen wir es zu schätzen, daß Sie sich heute in freier Rede dieser offenen Aussprache mit dem Schwerpunkt Föderalismus stellen, für den Sie, Herr Bundeskanzler, so wie Ihr Vorgänger Dr. Vranitzky, schon als Finanzminister entsprechende Vorkehrungen getroffen haben, und Sie haben mit Recht auf den Finanzausgleich hingewiesen, was wir zu schätzen wissen.

Eine Regierungserklärung mit parlamentarischer Debatte, meine Damen und Herren, Hoher Bundesrat, drückt in einem parlamentarischen Regierungssystem, wie es Österreich eigen ist, die Mitverantwortung von Parlament, nämlich Nationalrat und Bundesrat, sowie Bundesregierung aus.

Österreich hat sich 1918 für das Proportionalwahlsystem nach dem Mehrheitswahlsystem entschieden, und daher haben wir in der Geschichte Österreichs, weil der Repräsentationseffekt stärker ist als der Integrationseffekt, im Unterschied zum britischen Mehrheitswahlsystem, ganz selten absolute Mehrheiten. Relative Mehrheiten führen zu Koalitionsbildungen verschiedenster Art. Auch die Freiheitliche Partei hat in den achtziger Jahren erlebt, wie es ist, Koalitionspartner zu sein.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei trägt seit 1986 Mitverantwortung, wobei die politische Verantwortung innerhalb einer Koalition aufgrund des Proportionalwahlsystems zum Nationalrat nie die Erfüllung sämtlicher Wünsche gibt, sondern eine Kompromißlösung bietet. Eine Koalition ist ja keine Liebesehe, sondern eine Vernunftsehe, und Sie wissen, meine Damen und Herren, daß viele solcher Gemeinschaften auch sehr glücklich werden können. Sie können sich, um mit Aristoteles zu sprechen, entelechial weiterentwickeln. Dabei ist es nicht einmal notwendig, mit Hamlet zu sagen: "Sein oder Nichtsein".

Österreich steht im Mittelpunkt, und gerade die Jahre, die vor uns liegen – Frau Kollegin Riess hat schon darauf hingewiesen –, bedingen eine europäische Verantwortung. Es ist begrüßenswert, daß sich diese Regierungserklärung bewußt ist, daß wir uns auf dem Weg von Maastricht I zu Maastricht II befinden – nach der Eröffnung der Regierungskonferenz in Turin, die jetzt in Brüssel ihre Fortsetzung finden wird.

Der Bundesrat, mit Herrn Bundesrat Ing. Penz an der Spitze des EU-Ausschusses, beschäftigt sich, im Einvernehmen mit Vizekanzler und Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel, Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner und den übrigen Damen und Herren Bundesräten, im EU-Ausschuß laufend mit der Entwicklung der Europäischen Integration.

Ich möchte allerdings dort fortsetzen, wo ich beim letzten EU-Bericht geschlossen habe: Wir werden nur dann ein Mitgehen der Österreicherinnen und Österreicher bezüglich EU erreichen können, wenn wir es ihnen ermöglichen, Herr Bundeskanzler, neben einem Heimatbewußtsein und Staatsbewußtsein ein Europabewußtsein zu erleben, damit sie all die Pflichten und die Notwendigkeiten, die sich jetzt bei der europapolitischen Umstrukturierung ergeben, auch mitvollziehen können. Andernfalls wird der Weg nach Europa so aussehen, daß die Lok immer schneller fährt, es nur einen starken Lokführer gibt, aber in den Waggons nicht jene mitfahren, die eigentlich mitfahren sollten.

Sie sehen, ich habe eine starke Beziehung zur Bundesbahn, es folgen dann auch noch weitere entsprechende Beispiele.

Wir sehen also ganz deutlich, welche Notwendigkeiten sich auch für eine Erklärung der Regierung und auch für die gesetzgebenden Organe hier ergeben.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute in der Länderkammer auf Ihre Verantwortung gegenüber den Bundesländern hingewiesen. Sie werden zu den Landeshauptleuten fahren – wir freuen uns, daß Sie das vorhaben. Ich darf Ihnen sagen, daß das Bundesratspräsidium das jetzt laufend macht. Wir waren vor wenigen Tagen erst – und ich danke allen drei Fraktionen – in Oberösterreich: Wir haben in Linz – die Frau und Herr Vizepräsident waren dabei – eine sehr


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