Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 72

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Die Arbeitslosenstatistik wird zusätzlich durch die steigende Anzahl von Frühpensionisten verfälscht und spiegelt daher die Realität noch immer nicht ganz wider. Der Anteil der Frühpensionisten hat zugenommen. Einer der Hauptgründe für die triste Arbeitsmarktsituation, meine Damen und Herren, ist eine noch nie dagewesene Insolvenzwelle – eine weitere Klippe, die es zu umschiffen gälte –, die einen Nachkriegsrekord darstellt. Für 1996 dürfte die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche zwischen 5 300 und 5 400 liegen, das sind um 8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Schulden der insolventen Firmen – passen Sie auf! – werden einen Wert von zirka 39 Milliarden erreichen, zuzüglich der 11 Milliarden des Konzerns Maculan. Im Vergleich dazu betrugen die Schulden 1995 37 Milliarden, 1985 waren es – ich gebe schon zu, das ist ein großer Sprung – 11,5 Milliarden. Auch diesbezüglich haben wir kein Rezept gehört, wie diese Klippen umschifft werden sollten.

Verständlicherweise – das ehrt den Herrn Bundeskanzler – wurde hier auch das Thema Föderalismus angeschnitten. Ich habe hier einen Zeitungsausschnitt vom 8. Dezember, also noch lange vor der Regierungsumbildung, als Parlamentspräsident Fischer in Graz war und blitzartig die Themen Parteienproporz, Parteibuchwirtschaft und Realverfassung behandelt wurden, natürlich auch der Föderalismus. Letzteres rief Fischer als Verteidiger der Kompetenzen des Parlaments, des Nationalrats auf den Plan, und ich nehme an, er hat auch für den Bundesrat gesprochen.

Es gehe nicht an, sagte Fischer, daß sich Landesregierungen mit der Bundesregierung Dinge ausmachen, die Verfassungsänderungen erfordern, und die Änderungen vom Parlament danach schlicht vollzogen werden müßten – also daß der Nationalrat und der Bundesrat Apportiermaschinen der Regierungen sind.

Ich habe mit großem Interesse den Worten des Herrn Präsidenten Schambeck zum Konsultationsmechanismus gelauscht, und es ist eigentlich so darüber hinweggewischt worden, daß es, wenn dieser eingerichtet wird, zu einer maßgeblichen Beschneidung der Kompetenzen des Bundesrates kommt. Es ist vom Herrn Bundeskanzler nicht ausgesprochen worden, daß ein anderer Weg gewählt werden sollte, daß nämlich diejenigen, die föderalistische Anliegen zu vertreten haben, sich zuerst dazu äußern müßten.

Herr Professor Schambeck! Entschuldigen Sie, man spricht einen Vorsitzenden, einen Präsidenten an und für sich nicht an, weil er nicht replizieren, sondern höchstens zur Ordnung rufen kann, deswegen bitte ich um Verständnis: Nur mit Mühe ist es uns gelungen, allen drei Fraktionen hier, endlich zu einem Ausschuß zu kommen, der diese Thematik behandeln wird.

Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen einiges aus der Vergangenheit vorlesen muß und auch vorhalten möchte. Wir hatten in der 577. Sitzung des Bundesrates, am 10. Dezember 1993, wieder einmal eine dringliche Anfrage zum Thema Föderalismus an den Herrn Bundeskanzler, jetzt emeritierten Bundeskanzler und Vollgolfer Vranitzky gestellt, und ich bat in meinen Schlußworten, hier dezidiert zu erklären, wie es mit dieser Föderalismusreform und mit der Reform des Bundesrates und des Bundesstaates stehe.

Bundeskanzler Vranitzky – ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll –: "Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich gehe sofort auf die Frage des Herrn Bundesrates ein und erlaube mir, ihm erinnerungshalber zur Kenntnis zu bringen, daß im Schlußsatz der Perchtoldsdorfer Vereinbarung folgendes steht – ich zitiere das wörtlich –:

,Die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Maßnahmen sollen bis längstens zur Volksabstimmung über die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum EG-Beitritt als beschlußreife Regierungsvorlage textlich fixiert und spätestens in der aus Anlaß des EG-Beitritts erforderlichen Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen werden.’"

Meine Damen und Herren! Lassen Sie die Zeit Revue passieren. Ich glaube, das ist schon längst vorbei. Wieder ein Versprechen, das hier in diesem Haus abgegeben und nicht


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