Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 64

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Bundesstaatsreform auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern bereits vereinbarten Grundsätze möglichst rasch wiederaufgenommen werden. Ziel der Beratungen muß dabei eine eindeutige Stärkung der Länderrechte sein, wie sie etwa auch von Landeshauptmann Dr. Purtscher immer wieder eingefordert wurde.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Gestaltung des Bundesstaates ist die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. Rechtssetzende Akte einer Gebietskörperschaft bewirken oftmals für andere erhebliche finanzielle Belastungen, ohne daß sich diese dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können. Eine Regelung, die die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu ordnet und für diesen Fall Vorkehrungen trifft, ist daher im Interesse der Verwirklichung des bundesstaatlichen Prinzips durchaus geboten – das soll auch hier anerkannt werden –, zumal es fast ausschließlich rechtssetzende Akte des Bundes sind, deren finanzielle Auswirkungen auf die anderen Gebietskörperschaften den Gegenstand der Debatte bilden.

In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung eine Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes und die Genehmigung einer Vereinbarung vorgelegt, dessen Anlage eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften bildet. Diese Regierungsvorlage aber bewirkt im Falle ihrer Verwirklichung eine Zäsur der österreichischen Verfassungsentwicklung. Sie legt die Absicht der an ihrem Zustandekommen Beteiligten schonungslos offen. Rechtssetzende Akte, meine Damen und Herren, von Bund und Ländern werden nur noch als Regierungsakte angesehen, die Absegnung durch die gesetzgebende Körperschaft ist offenbar nur Formsache, und sie muß sich jedenfalls dem Willen der Regierenden unterwerfen. Vertreter der gesetzgebenden Körperschaften werden selbstverständlich von jeglicher Mitwirkung am Konsultationsmechanismus ausgeschlossen.

Offene Worte gegen diesen Anschlag auf die parlamentarische Demokratie fand der Präsident des Nationalrates Dr. Fischer. Er bestand darauf, daß die Verantwortung für die Gesetze nach wie vor bei National- und Bundesrat liegen soll, und er beharrte darauf, daß Vertreter des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage in die Entscheidungen miteingebunden werden sollen.

Die jetzt vorgesehene Entwicklung, meine Damen und Herren, hat eine De-facto-Abwertung des Bundesrates zur Folge. Eine Information des Bundesrates über die diesbezüglichen Absichten der Bundesregierung scheint uns Freiheitlichen daher dringend geboten, weshalb wir auch die heutige Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gestellt haben.

Ich fasse zusammen: Wir haben im Bundesrat einen Arbeitsausschuß eingerichtet, der neben der Geschäftsordnung alle Reformanträge betreffend den Bundesrat, die wir in den letzten Jahren auch fraktionsübergreifend eingebracht haben, behandeln soll. Grundlage aller dieser Bestrebungen ist das Perchtoldsdorfer Abkommen aus dem Jahr 1992, in dem unter anderem auch die Reform des Bundesrates paktiert wurde. Aber die Entwicklung, die jetzt eingetreten ist, muß bei den Bundesräten die Alarmglocken läuten lassen, denn jetzt wird anderweitig organisiert, was ureigenste Aufgabe des Bundesrates sein müßte.

Wohin, frage ich Sie allen Ernstes, soll sich der Bundesrat nach Einrichtung des Konsultationsmechanismus denn noch reformieren? – Unser Selbstverständnis als Bundesräte, als Vertreter eines verfassungsmäßigen Kollegialorganes zwingt uns dazu, hier der Regierung entgegenzutreten und auf die Mitspracherechte der Legislative und auf die Einhaltung der österreichischen Verfassung zu pochen.

Meine Damen und Herren! Wenn uns das nicht gelingt, dann ist unser Gremium, der Bundesrat, im Konzert der Bundesgesetzgebung in Zukunft wohl unnötig. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.13


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