Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 38

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Dieser lange Zeitraum zeigt ganz deutlich, daß die Regierungsparteien sich scheuen, dieses heiße Eisen anzufassen – und das aus gutem Grund: Standen laut Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales schon 1995 7 789 Lehrstellensuchenden nur 6 500 offene Lehrstellen gegenüber, kam es 1996 zu einem dramatischen Einbruch bei den Ausbildungsplätzen. So waren es im Herbst 1996 7 929 Jugendliche, die eine Lehrstelle gesucht haben, es wurden aber nur 3 282 Ausbildungsplätze angeboten. Dieser Trend hält ungehindert an, und die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ schauen zu.

Bis Ende 1997 prognostiziert das Arbeitsmarktservice, daß 6 000 Lehrlinge keinen Ausbildungsplatz finden werden. Aber anstatt für die Wirtschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Betrieben erleichtern, Lehrlinge auszubilden, legt man ein Gesetzespaket zur Begutachtung vor – so ist es zumindest den Medien zu entnehmen –, das man wahrscheinlich bestenfalls als "Gesetzespäckchen" bezeichnen kann. Bundeskanzler Viktor Klima sagt dazu in der Zeitung "Die Presse" vom 15. 2. 1997 – ich zitiere –: "Wir haben Bedingungen geschaffen, daß so kostengünstig und unbürokratisch wie nie zuvor Lehrlinge beschäftigt werden können." – Zitatende.

Der Obmann der Bundessektion Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer, Achleitner, glaubt im Gegensatz zum Bundeskanzler nicht daran, daß dadurch die Zahl der Lehrstellen steigen wird und meint dazu: Ich wäre glücklich, wenn wir die Zahl und den Stand halten könnten.

Kernstück dieses Paketes soll – so steht es in den Zeitungen – eine Entlastung der Lehrbetriebe von den Krankenversicherungsbeiträgen für Lehrlinge in den ersten beiden Lehrjahren sein. Gleichzeitig wird aber der Arbeitgeberbeitrag um 0,1 Prozentpunkte bei den Angestellten erhöht. Das heißt nichts anderes, als daß natürlich wieder die Betriebe zur Kasse gebeten werden und sie damit die Last der Lehrlingsausbildung nach wie vor selbst zu tragen haben. Von einer Entlastung, meine Damen und Herren, kann keine Rede sein, und die Regierung entzieht sich einmal mehr ihrer Aufgabe, für ein wirtschaftsfreundliches Klima zu sorgen.

Einer der Gründe, warum sich immer mehr Betriebe weigern, Lehrlinge auszubilden, ist nämlich die Kostenbelastung: die Kommunalsteuer, der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. Daran wird aber nicht gerüttelt, da bleibt alles beim alten.

Ebensowenig wird über den rigiden Kündigungsschutz nachgedacht, der sich als kontraproduktiv herausgestellt hat. Die Wirtschaft weist seit Jahren auf diesen Umstand hin, wird aber nicht gehört. Selbst der Vorstandsvorsitzende der Firma Baumax, Karlheinz Essl, stellt dazu im "Kurier" vom 15. 2. 1997 fest – und da zitiere ich auch –: "Man kann sich ja von Lehrlingen nicht trennen, außer sie haben goldene Löffel gestohlen, nicht wahr?" – Zitatende.

Daß dies vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe eine großes Problem darstellt – denn die bilden ja die meisten Lehrlinge aus –, hat sogar der Wiener Stadtschulratspräsident Scholz mittlerweile erkannt. – Das also, meine Damen und Herren, ist die Situation, aber geschehen ist in Wirklichkeit bis jetzt nichts.

Bei den diversen Berufsschülertagen haben die Lehrlinge immer wieder ihren Unmut über die gesellschaftlichen Benachteiligungen ihres Berufsstandes geäußert und eine dringende Aufwertung gefordert. Bei diesen Berufsschülertagen sind alle Parteien vertreten, auch die ÖVP und die SPÖ. Es kann also direkt mit den Betroffenen über die Probleme gesprochen werden. Das Drama dabei ist, daß man sich das alles anhört, aber beim Hinausgehen offensichtlich bereits wieder vergessen hat. Dabei weiß die Regierung genau, daß sie die Hauptschule kaputtreformiert hat, auch wenn die Frau Bundesministerin sagt, es sei nicht so. Der Großteil der Volksschulabsolventen geht nach wie vor in die AHS. Auch die Zahlen für das Jahr 1997 belegen es ganz deutlich: Der Trend zur AHS setzt sich ungehindert fort.

Die Hauptschule gehört attraktiver gemacht. Das passiert aber leider nicht. Die Gewerkschafter der ÖVP haben leider keine andere Idee, als die Gesamtschule zu fordern – gerade Vertreter einer Partei, die sich 20 Jahre lang gegen die Gesamtschule, gegen eine gemeinsame Schule


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