Im Rahmen der weiterhin vorherrschenden Polytoxikomanie der Drogenabhängigen wurde Heroin als Leitdroge immer bedeutsamer, gleichzeitig beziehungsweise damit im Zusammenhang stieg auch der intravenöse Konsum. Diese Entwicklung hin zu riskanterem Drogenkonsum schlug sich in einem Anstieg der Überdosierungen nieder, von denen viele tödlich endeten. Das heißt, der Anstieg der Todesfälle spiegelt weniger einen relevanten Anstieg der Drogenabhängigen, sondern eher eine Tendenz in Richtung riskanterem Konsum wider.
Erinnern wir uns zurück an die ernste und problematische Situation Anfang der neunziger Jahre in vielen Bereichen Österreichs. Nicht nur am Karlsplatz drohte die offene Drogenszene zu eskalieren. Täglich haben sich mehrere hundert Personen über einen längeren Zeitraum in der Szene aufgehalten, Drogen konsumiert, Drogen gehandelt – die Kleinkriminalität stieg an, und die Anziehungskraft vor allem auf Jugendliche aus Wien und den Bundesländern stieg sprunghaft an.
In den Jahren 1990 und 1991 wurde die Wiener Drogenkommission eingerichtet und im Zuge eines breiten Diskussionsprozesses mit Dutzenden Fachleuten und Politikern das Wiener Drogenkonzept erstellt. Die Stadt Wien legte damit österreichweit das erste Drogenkonzept vor, die Länder Vorarlberg und Tirol folgten dem Wiener Beispiel.
Mit dem Wiener Drogenkonzept wurde nicht nur eine neue Entwicklung eingeleitet, es liegt auch eine erfreuliche Bilanz vor. So erfolgreich der Wiener Weg in der Drogenpolitik aber auch sein mag, er kann nicht generell übernommen werden. In der Drogenpolitik gibt es keine Patentrezepte. Jede Stadt und Region muß für sich selbst ein Modell entwickeln. So wie jede Droge und jedes Rauschmittel eigene Lösungsansätze braucht, bedarf es auch in der Drogenpolitik einer breiten Palette von Maßnahmen.
Im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien wurde im Rahmen einer Umstrukturierung die interne Zuständigkeit zur Verfolgung des Drogenhandels neu definiert, eine personelle Aufstockung vorgenommen und ebenso Klarheit über die Vorgangsweise bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bereich der Drogenszene herbeigeführt.
Durch einen großzügigen Ausbau des Spritzentauschprogrammes und einer Ausweitung der Substitutionstherapie ist die HIV-Rate unter Drogenabhängigen in Wien besonders gering und konstant. Der in vielen europäischen Großstädten zu beachtende Anstieg von HIV-Infektionen konnte in Wien verhindert werden.
Durch die hohe Rücklaufquote beim Spritzentausch – 1996 wurden über 80 Prozent der Spritzen zurückgestellt – und ein eigenes Projekt zum Einsammeln und Entsorgen von gebrauchten Spritzen ist die Problematik von herumliegendem Injektionsbesteck in Parkanlagen und Kinderspielplätzen eingedämmt worden.
Mit dem Grundsatz einer integrierten Drogenpolitik ist es in Wien gelungen, neue Maßstäbe zu setzen. Die Behandlung und Betreuung der gesellschaftlichen Randgruppe Drogenabhängiger sind heute nicht mehr ausschließlich Angelegenheit von Spezialisten in Drogeneinrichtungen, sondern in weiten Bereichen des sozialen und medizinischen Netzes der Stadt selbstverständlicher Bestandteil der Aufgabenstellung.
Um dies zu erreichen, war und ist es auch in Zukunft notwendig, die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch durch Kommunikation, Fortbildung und Veranstaltungen zu forcieren und neue Kooperationsmodelle zu entwickeln.
So hat beispielsweise der Schulpsychologische Dienst in Wien noch vor sechs Jahren nur einen einzigen Schüler mit Drogenproblematik beraten – heute sind es rund 700. Dadurch ist gewährleistet, daß Schüler mit beginnendem Drogenmißbrauch nicht automatisch aus der Schule entfernt werden und sich damit eine Spirale des sozialen Abstiegs entwickelt.
In anderen Bundesländern ist es nicht – so wie in Wien – selbstverständlich, daß sich beispielsweise das Jugendamt oder das Sozialamt, die Jugendzentren, die Schulpsychologie, die Notfallaufnahmestationen in den Spitälern, die allgemein-psychiatrischen Abteilungen, die Rettung, der
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