Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 57

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Zu Cannabis: Durch dieses Gesetz wird der Cannabis-Konsum weder freigegeben noch verschärft geahndet. Es räumt den Cannabis-Erstkonsumenten jedoch eine zweite Chance ein. Einmaliger "Neugierkonsum" soll keine unangemessene existenzgefährdende Folgewirkung haben. Das Instrument der vorläufigen, probeweisen Anzeigenrücklegung bei Fällen von Cannabis-Erstkonsum wurde daher praktischen Erfahrungen zufolge vereinfacht und entbürokratisiert.

Wenn sich meine Ausführungen zur Drogenproblematik bisher vor allem auf den Blickwinkel des Gesundheitsressorts bezogen, so möchte ich doch auch auf damit verbundene soziale Probleme sowie Auswirkungen im Polizei- und Justizbereich eingehen.

Drogensucht entsteht meist in Verbindung mit sozialen Problemsituationen. Im Zuge der Abhängigkeit verschärfen sich diese Probleme, und es kommen weitere hinzu. Dies reicht vom vorzeitigen Verlassen des Bildungssystems über Konflikte und Bruch mit der Familie bis zur Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit.

Die sozialen Probleme von Drogenabhängigen werden durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere durch die mit der Sucht einhergehende Diskriminierung und Kriminalisierung verschärft beziehungsweise erzeugt.

Im Jahre 1995 wurden in Österreich 13 093 Personen wegen Verstoß gegen Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes zur Anzeige gebracht. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr wohl eine Steigerung um 3,7 Prozent, dennoch kann dies als Stabilisierung angesehen werden, da vergleichsweise 1993 noch ein Anstieg um 39,8 Prozent und 1995 ein solcher um 15,6 Prozent festzustellen war.

Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich um die sogenannte Anzeigestatistik, das heißt, es sind nur jene Fälle berücksichtigt, die der Sicherheitsexekutive auch tatsächlich bekanntgeworden sind.

Im Vergleich dazu wurden 1995 in Österreich 2 459 Personen wegen eines Verbrechenstatbestandes nach dem Suchtgiftgesetz angezeigt. Daraus ergibt sich nach dem einmaligen Rückgang der Anzeigen wegen eines schweren Suchtgiftdeliktes im Vorjahr neuerlich eine Steigerung um 9,3 Prozent.

Für eine objektive Bewertung hilft uns deshalb nur eine längerfristige Betrachtung der Drogensituation in Österreich. Dabei stellen wir fest, daß bis Ende der achtziger Jahre das Drogenproblem stabil zu sein und sich im Vergleich zu den siebziger Jahren sogar zu beruhigen schien.

Anfang der neunziger Jahre kehrte sich dieses Bild auf Basis der wenigen vorliegenden Indikatoren plötzlich um. Sowohl die Statistik der Drogenopfer als auch jene der Anzeigen und Beschlagnahmungen zeigte über einige Jahre einen deutlichen Anstieg. Dies erzeugte den Eindruck einer dramatischen Zuspitzung der Drogenproblematik, die sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in der medialen Darstellung niederschlug.

Expertenanalysen entschärften dieses Bild und wiesen darauf hin, daß wohl Grund zur Besorgnis, aber nicht zur Dramatisierung besteht. Weder konnte auf Basis von vorliegenden Konsumerhebungen festgestellt werden, daß Drogenerfahrungen in der Gesamtbevölkerung oder bei Jugendlichen im Zunehmen sind, noch fanden sich Belege für einen relevanten Anstieg der Zahl der Drogenabhängigen.

Dieser scheinbare Widerspruch zwischen steigenden Todesfällen und Anzeigen auf der einen Seite und einer relativ stabilen Entwicklung bezüglich der Zahl der Drogenkonsumenten auf der anderen Seite löst sich auf, wenn man den dahinterliegenden Faktoren auf den Grund geht.

Anfang der neunziger Jahre kam es infolge der Ostöffnung zu relevanten Veränderungen auf der Angebotsseite. Über die Ostgrenzen kam mehr, billigeres und konzentriertes Heroin auf den österreichischen Drogenmarkt. Dies führte in Kombination mit anderen Entwicklungen zu einer Veränderung bei den Konsummustern der bereits Drogenabhängigen, sowohl bezüglich der konsumierten Substanzen als auch der Verabreichungsform.


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