Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 60

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Wie sehr auch das neue Suchtmittelgesetz diesem Grundgedanken Rechnung trägt, kann an den beiden strafrechtlichen Schwerpunkten des Gesetzes festgemacht werden: an der vorläufigen Anzeigezurücklegung und am vorläufigen Aufschub des Strafvollzuges.

Die vorläufige probeweise Anzeigezurücklegung bei nicht großen Mengen von Suchtmitteln wird durch dieses Gesetz durchaus maßvoll und – wie ich ausdrücklich sagen möchte – in Übereinstimmung mit den Wünschen der Praxis nach Lockerung des Korsetts, das sich bisher als zu eng erwiesen hat, ausgedehnt auf weniger schwere Fälle strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Suchtmittels. Dabei lege ich Wert darauf, von "Beschaffungskriminalität" und nicht – mit einem weiteren Begriff – von "Begleitkriminalität" zu sprechen.

Mit diesen Neuerungen wird – fakultativ und keineswegs zwingend – ermöglicht, daß nicht nur der Süchtige, der bloß wegen des Erwerbs oder des Besitzes von Suchtmitteln angezeigt wird, sondern auch derjenige, der sich etwa im Wege eines geringeren Eigentumsdeliktes oder einer Rezeptfälschung die Mittel für seine Sucht beschafft hat, nicht in jedem Fall mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen verurteilt werden muß, sondern unter bestimmten, gesetzlich präzise festgelegten Voraussetzungen sogleich einer Behandlung und Betreuung zugeführt werden kann.

Zur Klarstellung möchte ich sagen, daß die bloße Behauptung der eigenen Sucht keineswegs ausreicht, um diese Maßnahme Platz greifen zu lassen, sodaß der professionelle Händler nicht in den Genuß dieser diversionellen Alternativen kommen wird.

Die zweite wesentliche Änderung betrifft die bereits mit dem Suchtmittelgesetz 1985 bestehende Möglichkeit der nachträglichen Strafmilderung durch Umwandlung einer unbedingten Freiheitsstrafe in eine bedingte, wenn der Verurteilte im Zuge eines ihm gewährten Aufschubes des Strafvollzuges eine Therapie absolviert hat. In schwereren Fällen – wenn der Staatsanwalt Anklage erhebt und das Gericht eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt – soll das Gericht nicht nur wie bisher den Vollzug einer Strafe von bis zu zwei Jahren vorerst aufzuschieben haben, um dem Verurteilten die Möglichkeit einer Therapie zu geben, sondern der Richter soll auch – das ist ebenfalls einvernehmlich geregelt worden, dem Wunsch der Praktiker im Bereich der Suchtmitteldelikte entsprechend – künftig die ebenfalls nicht zwingende, aber ihm eingeräumte Möglichkeit erhalten, in Einzelfällen die Chance auf Therapie statt Strafvollzug als Brücke in ein drogen- und verbrechensfreies Leben zu gewähren, und zwar Personen, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, und darüber hinaus auch Süchtigen, die wegen weniger schwerer Fälle der Beschaffungskriminalität verurteilt worden sind.

Hoher Bundesrat! Der Süchtige bedarf unserer Hilfe, der Drogenhändler und der Schwerkriminelle verdienen ohne Zweifel Verfolgung und harte Bestrafung. Das Suchtmittelgesetz trägt diesem Grundgedanken durch Strafdrohungen für Drogenhandel Rechnung, die zu den höchsten der österreichischen Rechtsordnung gehören. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die wirkliche Bandbreite der Maßnahmen gegen den Drogenhandel und die in diesem Zusammenhang zu beobachtende organisierte Kriminalität nur mit Blick auf die zum Teil erst in allerjüngster Zeit verschärften Bestimmungen des Strafgesetzbuches ermessen werden kann; denken Sie an die neuen Straftatbestände der kriminellen Organisation oder der Geldwäsche, oder denken Sie an die Bestimmungen der Abschöpfung, der Bereicherung und des Verfalles.

Mit den Reformen der letzten Jahre im Straf- und Strafprozeßrecht einerseits und mit dem vorliegenden Suchtmittelgesetz andererseits haben wir – davon bin ich überzeugt – die Voraussetzungen geschaffen, um den in Österreich seit langem sehr konsequent und geradlinig eingehaltenen Weg – er unterscheidet sich deutlich von dem in anderen, auch benachbarten Staaten verfolgten Zickzackkurs –, den Weg des doppelten Ansatzes effizient und mit Augenmaß weiterzugehen.

Zum Schluß noch ein Wort zum Gesinnungswandel meines Vorgängers Minister Dr. Ofner und zu der Kritik an der bestehenden therapeutischen Struktur: Ein allfälliger diesbezüglicher Mangel, meine Damen und Herren, darf nicht dazu führen, das Kind mit dem Bad auszuschütten


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