enthält sehr viele Statistiken, denen nichts Essentielles zu entnehmen ist, außer daß man sagen kann: Die Situation ist recht gut, die Annahme in den Bundesländern ist auch ordentlich. – All das will ich auch glauben.
Sicherlich sind die Einrichtungen, die die Betreuung der Familien übernommen haben oder begleitend mitverfolgen, gut. Es ist auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft eine gute Einrichtung, die auch sehr gut angenommen wird. Auch die Jugendämter leisten sicherlich ausgezeichnete Arbeit. Ihr Manko ist natürlich, daß sie personell oft unterbesetzt sind und daher nicht in der entsprechenden Form sofort reagieren können, wenn irgendwo Gewalt in der Familie auftritt, wie es sich zum Beispiel am Fall des kleinen Kevin, der durch alle Zeitungen gegangen ist, gezeigt hat, in dem das Jugendamt einfach zu spät reagiert hat. Ich gehe jetzt davon aus, daß dies auf die personellen Unterbesetzungen zurückzuführen sind.
Es sind auch die Forderungen in dem Bericht sehr wesentlich und richtig, daß Pflegefamilien besser abgesichert werden sollten, daß die rechtliche und sozialrechtliche Absicherung der Pflegefamilien ein wichtiges Anliegen ist. – All das ist sehr positiv.
Im Gegensatz zu diesem Jugendwohlfahrtsgesetz an sich steht aber wohl dessen Umsetzung und Wirksamkeit. Das können wir täglich feststellen, wenn wir die Zeitungen aufschlagen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wenigstens ein Kindesmißbrauch, ein Akt von Gewalt in der Familie zu verzeichnen ist und dementsprechend in den Medien berichtet wird.
Natürlich muß nach den Ursachen dafür gesucht werden. Es genügt sicherlich nicht, wenn man sagt: Das ist halt leider so, das Jugendwohlfahrtsgesetz hat da leider noch nicht gegriffen. – Die Länder haben auch bedauert, daß es mit der Umsetzung insofern Schwierigkeiten gibt, als ein Umdenken bei den Eltern noch immer nicht eingesetzt hat. – Ich glaube aber, daß auch ein Umdenken der Eltern allein nicht genügen wird, weil es a) zu lange dauert und b) die Ursachen völlig außer acht gelassen werden.
Wo liegen also die Ursachen? – Die Ursachen dafür sind sicherlich im wesentlichen in der Zerschlagung der Familienstrukturen zu suchen. Zu dieser Zerschlagung der Familienstrukturen kam es, weil oft beide Elternteile arbeiten gehen müssen: Heute fallen wahnsinnig viele Familien mit mehr als zwei oder drei Kindern unter die Armutsgrenze, das heißt, beide Elternteile sind gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Frau in dieser Situation hat nicht die Wahlmöglichkeit – das haben wir schon einmal in Anwesenheit der damaligen Frauenministerin Konrad diskutiert –, zu entscheiden, ob sie zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern will oder ob sie arbeiten gehen will. Diese Wahlmöglichkeit gibt es für sie nicht. Vielmehr besteht Zwang auf beiden Seiten. Und dadurch sind Frauen und die Familie insgesamt oft überfordert.
Wir haben auch das schon besprochen, ich sage es aber heute wieder: Wir alle wissen, daß die Erziehungsarbeit zu etwa 80 bis 90 Prozent in den Händen der Frauen liegt. Natürlich sind auch die Männer gefordert, diese Situation ein bißchen zu verbessern, die Tatsachen sind aber derzeit so. Daraus ergibt sich natürlich ein wahnsinniger Streß: Wenn beide berufstätig sind, dann ist das Kind den ganzen Tag entweder in der Kinderkrippe, im Kindergarten oder im Hort. Am Abend kommen beide nach Hause, dann wartet noch die Hausarbeit. Da bleibt für Kinder emotional wenig Raum. All das läßt sich organisatorisch schon irgendwie handhaben, aber emotional bleibt wenig Raum. Aus einer solchen Überforderung und Überlastung heraus steigt natürlich die Bereitschaft zur Gewalt, das können wir immer wieder beobachten.
Wir haben aber auch gesehen, daß es nicht immer nur zu Gewalt von Eltern gegenüber Kindern kommt. Erst gestern war in der Zeitung der Fall dieses Fünfzehnjährigen aus Oberösterreich zu lesen. Es kommt also auch zu Gewalt zwischen Jugendlichen innerhalb einer Familie. Dafür gibt es viele Beispiele. Auch dieses Phänomen nimmt zu, wofür auch in der Erziehungspolitik die Ursache zu suchen sind. Das hat mit der antiautoritären Erziehung begonnen, die völlig falsch verstanden worden ist. In Amerika hat man diese Art der Erziehung nämlich mit "non frustration" bezeichnet. Das ist hier im europäischen Raum völlig falsch verstanden worden. Das hat dazu geführt, daß Kinder mit Leistungsdruck überhaupt nicht mehr umgehen können und bei der kleinsten Gelegenheit ausrasten.
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