Bundesrat Stenographisches Protokoll 627. Sitzung / Seite 13

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Republik. Wir wollen auch eine Entschädigung für jene Österreicher, die vom österreichisch-tschechischen Vermögensvertrag von 1974 nicht erfaßt worden sind, etwa weil sie zum Stichtag 1945 nicht oder noch nicht österreichische Staatsbürger gewesen sind. Die Tschechen haben das bisher noch nicht akzeptiert. Das ist ein Punkt, der bilateral natürlich noch weiter verfolgt werden muß.

Ich möchte aber nicht, daß man multilaterale und bilaterale Fragen in einen Zusammenhang bringt, in den sie nicht gehören. Ich kann nicht gegenüber den 14 anderen Ländern, wenn über die Übernahme des Rechtsbestandes der Union verhandelt wird, solche bilaterale Entschädigungswünsche vorbringen. Diese Problematik werde ich als österreichischer Außenminister selbstverständlich bilateral bei jeder Gelegenheit thematisieren.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Vizekanzler! In einer schriftlichen Beantwortung vom 19. 9. 1996 auf eine schriftliche Anfrage von mir teilen Sie unter anderem – ich zitiere wörtlich – mit:

"Die Frage einer Junktimierung der Aufhebung der Benes-Dekrete mit der Zustimmung Österreichs zur Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, da für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ein positiver Avis aus Brüssel vorliegen muß."

Dieser Anfragebeantwortung kann man entnehmen, daß Sie ursprünglich an eine solche Junktimierung gedacht haben. Liegt in der Zwischenzeit ein positiver Avis aus Brüssel vor?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, daß Ihre Interpretation, daß ich an solche Junktimierungen gedacht habe, zu weit geht. Das können Sie aus der Anfragebeantwortung nicht ableiten.

Ich habe immer wieder öffentlich gesagt – das ist auch meine ehrliche Überzeugung –: Man kann und soll bilaterale Fragen nicht mit multilateralen Fragen vermischen. Das ist wirklich meine Überzeugung. Denn damit macht man die Dinge nur kompliziert, und es kommt eher zu einer psychologischen Belastung als zu einer Entkrampfung. Sie können sicher sein – Sie wissen es ja, weil Sie sich in diesen Fragen gut auskennen –, daß ich gerade die Anliegen der Heimatvertriebenen in bilateralen Gesprächen immer wieder engagiert vorbringe.

Ich möchte hier auch das sehr positive Gesprächsklima, das mit dem jetzigen tschechischen Außenminister Zieleniec in manchen Fragen festzustellen ist, anerkennen. Er mußte, um humanitäre Gesten setzen zu können, auch zu Hause sehr viel Kritik einstecken. Ich darf nur an die Todesmärsche und an die Gräberfelder erinnern. – Sie können jedenfalls sicher sein, daß ich die bilateralen Fragen, die uns wirklich ein Herzensanliegen sind, durchaus thematisiere. Ich halte jedoch nichts davon, wenn man das in einen multilateralen Zusammenhang bringen will. Das möchte ich ganz offen aussprechen, damit hier nicht eine Fehlinterpretation Platz greift.

Zu Ihrer konkreten Frage: Es gibt kein solches Avis. Wir rechnen aber damit, daß wir – unter der Voraussetzung, daß Amsterdam gut abgeschlossen wird, wovon ich ausgehe – Mitte oder Ende Juli von seiten der Kommission die verschiedenen Berichte über die elf Kandidaten bekommen werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: In den EU-Ländern scheint es aber offensichtlich üblich zu sein, auch bilaterale Beziehungen zum Gegenstand von Beitrittsverhandlungen zu machen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Vertrag, den Deutschland mit der Republik Tschechien bezüglich Sudetenfrage abgeschlossen hat.


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