Bundesrat Stenographisches Protokoll 627. Sitzung / Seite 19

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Frieden halten, daß sich Institutionen entwickeln, mit deren Hilfe man miteinander lebt, wäre ohne die Europäische Union nicht denkbar. Solange der Militäreinsatz dauert, muß diese zivile Komponente Platz greifen. Daher ist diese Verzahnung aller Institutionen unendlich wichtig.

Ich meine daher, daß man jetzt, nachdem auch mit Rußland und mit der Ukraine – das haben wir vorher diskutiert – Verträge abgeschlossen sind, mit Fug und Recht alle Elemente einer Lösung auf den Tisch hat und daß wir jetzt frei, unbeeinflußt und ohne Druck von außen entscheiden können, ob wir mitdabei sein wollen und ob uns das ein Mehr an Sicherheit oder nicht bringt. Das ist meine Überzeugung. Es geht heute nicht mehr darum, auch nicht für Österreich, daß man sich gegen eine große Bedrohung, gegen einen Angriff oder Überfall durch einen übermächtigen Gegner oder ähnliches wehren muß. Früher genügte es, einen reinen Schutzschild zur Verteidigung aufzubauen. Heute genügt es nicht, nur darauf zu achten, daß Instabilität nicht importiert wird, sondern heute geht es darum, angesichts der neuen Konfliktfelder Balkan, Albanien, Tschetschenien, Nahost Sicherheit zu exportieren. Denn dieser Sicherheitsexport schützt am besten unsere eigene Sicherheit.

Deswegen meine ich, daß in dieser NATO neu, die wahrhaft jetzt mit der Geburtsurkunde in Madrid entstehen wird, für Österreich die Tür offen ist, und wir sollten auch den Mut haben, durchzugehen!

Wir sollten aber auch klar öffentlich sagen, daß in einem einzigen Punkt, nämlich im sogenannten Artikel 5, in der Beistandsverpflichtung des NATO-Vertrages, das Neutralitätsgesetz außer Kraft gesetzt werden würde. Das muß man ehrlich sagen, das verhält sich so.

Aber ich diskutiere überhaupt nicht darüber, daß wir die Neutralität abschaffen müssen, denn dazu gibt es keine Notwendigkeit, weder juristisch noch politisch.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Glauben Sie, daß – im Sinne dieser Antwort und infolge der weiteren Diskussion – in Österreich eine Volksabstimmung oder eine Volksbefragung über die Frage der Abschaffung oder Beibehaltung der Neutralität stattfinden könnte oder sollte?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, daß wir uns jetzt auf die inhaltliche Auseinandersetzung konzentrieren sollten: Sollen wir beitreten oder nicht? Ich meine, daß an dieser inhaltlichen Diskussion kein Weg vorbeiführt. Ich möchte, daß man nicht immer auf Prozedurfragen ausweicht, denn das ist eine Nebenfront.

Sie kennen die Verfassungslage: Ein Drittel der Abgeordneten hat bei einem Verfassungsgesetz das Recht, eine Volksabstimmung zu verlangen. Wenn im Nationalrat ein Drittel der Abgeordneten dieses Recht in Anspruch nimmt, dann wird es eine Volksabstimmung geben. Ich weise allerdings darauf hin, daß die Einführung der Neutralität im Jahr 1955 ein Verfassungsgesetz war, das keiner Volksabstimmung unterzogen wurde. Man sollte ein bißchen zurückdenken: Die Einführung der Neutralität war im Jahr 1955 ein sehr mutiges und ein sehr kontroversielles Konzept.

Einer, der es wissen muß, weil er damals Sekretär von Julius Raab war, nämlich der langjährige Bundesrat und Nationalrat und später auch Staatssekretär Ludwig Steiner hat immer gesagt: Hätten wir damals eine Volksabstimmung gemacht, sie wäre mit Bomben und Granaten danebengegangen! Man hat damals bewußt eine Führungsentscheidung getroffen. 1955 und in der Zeit danach war die Entscheidung für die Neutralität eine absolut richtige sicherheitspolitische Maßnahme. Das war damals die bestmögliche Sicherheit für Österreich, hat uns die Freiheit ermöglicht. Die Entscheidung wurde selbst getroffen und nicht von außen aufgezwungen, das wissen wir schon, trotzdem war es eine Führungsentscheidung.

Ich meine, daß heute eine ähnliche Führungsqualität gefragt ist. Ich bin dazu bereit und argumentiere auch dementsprechend. Ich bin niemandem böse, wenn er eine andere Meinung hat.


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