Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 41

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Das, meine Damen und Herren, ist heute nicht nur gesicherte Meinung und Haltung aller politisch Verantwortlichen über alle Parteigrenzen hinweg, sondern auch gesicherte Haltung im vereinten Europa. Daß das heute ungeteilte Meinung der Verantwortungsträger in Österreich ist, dazu hat Professor Schambeck in ganz besonders hohem Maße beigetragen. Das bedurfte jahrelanger Bemühungen, vor allem aber einer unermüdlichen Beharrlichkeit. Möglich machte ihm das sein Wissen, daß die föderalistischen Konstruktionen der Vielfalt sozialer Beziehungen und der Vielfalt menschlicher Anlagen und Bedürfnisse Rechnung tragen und daher notwendig sind für eine Ordnung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht.

Meine Damen und Herren! Die praktischen Möglichkeiten, dem föderalen Prinzip Rechnung zu tragen – sei es im Inland, sei es im gesamteuropäischen Zusammenhang –, sind vielfältig und keineswegs voll ausgeschöpft. Hierin sehe ich den Auftrag, den wir alle für unsere Tätigkeit durch das Wirken von Professor Schambeck erhalten haben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen kurzen Blick auf den parlamentarischen Alltag werfen, der durch die Geschäftsordnung, die wir heute sinnvoll ergänzen werden, geregelt ist, aber von Empfindungen, Wertebewußtsein und vielem anderen bestimmt wird.

Wird da nicht manchmal beklagt – und das, glaube ich, durchaus nicht zu unrecht –, daß in vielen Debatten die Würze, die Spannung fehlt? Wie aber war die Situation, wenn Professor Schambeck ans Rednerpult ging? – Wenn er sprach, war ihm die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses sicher. Da sprach der Lehrer, da sprach der Wissenschafter, da sprach der Christ, da sprach der Mensch. Oja, manchmal sprach er auch mit Pathos, aber, meine Damen und Herren, das war das echte Pathos, das nicht einfach Mittel zum Zweck war, sondern das seine Gedanken und Ideen unsichtbar beflügelte.

Professor Schambeck hat nie zu denen gehört, die nur das Negative beschreiben und eine mitunter zynisch verbrämte Hoffnungslosigkeit verbreiten. Er weiß nämlich, daß damit der Wille, zu ändern, umzukehren und zu reformieren, nicht geweckt und gestärkt, sondern erstickt wird und daß damit einer Einstellung Vorschub geleistet wird, die alles sinnlos und von vornherein als verloren erscheinen läßt. Er weiß, daß Einseitigkeiten und Verzerrungen letztendlich auf eine Beleidigung und Mißachtung derer hinauslaufen, die nach bestem Wissen und Gewissen daran mitgewirkt haben, daß unsere Demokratie gefestigt und unser Leben von Sicherheit und der Garantie der Würde des einzelnen getragen ist.

Meine Damen und Herren! Der Zustand unseres Gemeinwesens ist alles andere als statisch. In den letzten drei Jahrzehnten haben sich die für unser Dasein maßgebenden Umstände in ungeahntem Ausmaß gewandelt. Daß sich diese Veränderungen für die Menschen positiv oder zumindest erträglich ausgewirkt haben, dazu haben Sie, Herr Professor, Herr Präsident, das Ihre beigetragen.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen die stimulierende Kraft einer besseren und gerechteren Gesellschaftsordnung. Ohne eine solche Vision, die der Vergangenheit Bedeutung zuschreibt, die die Gegenwart erklärt und die für die Zukunft Orientierung liefert, wäre vieles, was unsere gesellschaftliche Ordnung menschenwürdig gemacht hat, nicht möglich gewesen. Ohne eine derartige Vision werden auch zukünftige Fragen nicht zu beantworten sein. Die politischen und gesellschaftlichen Gruppen müssen einen Wettbewerb solcher Utopien in Gang bringen und in Gang halten, denn das setzt demokratiefeindlichen Tendenzen stärkeren Widerstand entgegen als die bloße Verteidigung des Bestehenden oder gar ein passives Sichabfinden mit den Ergebnissen, die eintreten, wenn man die Dinge ihrem Selbstlauf überläßt.

Herr Präsident! Wir wissen, daß Ihr Wirken hier in diesem Hause auch von diesen Gedanken geleitet war. Ihre Anträge geben auch darüber Zeugnis.

Wir Sozialdemokraten freuen uns, daß während Ihrer Präsidentschaft dieser heute zur Debatte stehende Antrag zustande gekommen ist. Er ist nicht zuletzt auch deshalb zustande gekommen, weil unter Ihrer behutsamen, andere Meinungen respektierenden Vorsitzführung das Gespräch möglich war.


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