Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 62

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wenn dieses Gesetz so gut ist, und wenn es von der Bevölkerung akzeptiert wird, wie immer wieder gesagt wird – eine IMAS-Studie sagt allerdings etwas anderes, 62 Prozent der Österreicher sind gegen eine Liberalisierung der Zuwanderung –, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum unterziehen wir dieses Gesetz keiner Volksabstimmung? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Warum sagt der Herr Minister permanent: Nein, die Mitwirkung der Österreicher ist gegeben, weil das im Nationalrat und letztlich im Bundesrat beschlossen wird. Warum machen wir nicht ein Mitwirkungsrecht à la Staatsbürgerschaftsrecht der Schweiz, der Gemeinden, der wirklich Betroffenen bei Daueraufenthaltsgenehmigungen? Jetzt kommt aber kein Fremdenhaß oder irgend etwas anderes zum Ausbruch, das wäre eine Unterstellung. Gerade die Österreicher haben seit Ende des Zweiten Weltkriegs 2,5 Millionen Menschen aufgenommen. Kein Land der Welt hat in diesem Ausmaß Menschen integriert. Angesichts dessen wäre dies eine Unterstellung.

Erinnern Sie sich an die Aktion "Nachbar in Not". Milliarden wurden dabei aufgebracht. Erinnern Sie sich an den "Ungarnaufstand", erinnern Sie sich an die Tschechenkrise. Ich glaube, der Österreicher ist reif genug, hier bei der Handhabung der Fremdengesetze mitzuwirken. Geben Sie ihm diese Mitwirkung. Dann haben Sie tatsächlich eine moralisch gerechtfertigte, ordentliche Methode, wer in unserem Land wohnen und wer die Staatsbürgerschaft bekommen kann. Mit dieser Methode helfen Sie dem Guten, und den Schlechten sondern Sie dabei aus.

Das sind die maßgeblichen Kritikpunkte: Sie machen keine Volksabstimmung, Sie lassen die eigenen Leute bei einem solch wichtigen Recht nicht mitwirken. Sie legen lieber so etwas auf den Tisch und sagen, die Österreicher wären damit einverstanden. – Aus diesem Grund ist es uns nicht möglich, dieser Materie die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Liechtenstein. – Bitte.

13.10

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich kurz als Einführung sagen, daß das Fremden- und Asylgesetz im wesentlichen eine europäische Frage ist. Österreich war stets weltoffen und ausländerfreundlich in seinem Herzen.

Ich möchte jetzt etwas zurückschauen: Viele tausend Ausländer haben in den letzten Jahrzehnten bei uns eine neue Heimat gefunden. Ausländische Arbeitnehmer haben in jahrelanger Arbeit hierzulande einen Beitrag zum Fortschritt geleistet, sich die Grundlage für eine bessere Zukunft hier oder in ihrer Heimat geschaffen. Das wollen wir erhalten. Ihnen allen galt und gilt in gleicher Weise der Schutz und die Vorsorge dieses Staates. Ich spreche aber jetzt über den mitteleuropäischen Raum hinaus.

Wir haben als Österreicher gerade in den letzten fünf Jahrzehnten vieles geleistet und viele aufgenommen. Ich denke vor allem an die verschiedenen Völker und Nationen, die mit uns durch Jahrhunderte zusammen waren, ob das die Ungarn 1956, die Tschechen und Slowaken 1968, die Kroaten, die Bosnier, aber auch – ich möchte unter keinen Umständen das vergessen, was 1945 passiert ist – die Sudetendeutschen, die Südmährer, die Gottscheer, die Siebenbürger Sachsen oder die Donauschwaben, um nur wenige zu nennen, waren. Aber unser Weg geht auch über diesen Raum hinaus, der uns jahrhundertelang übernational verbunden hat.

Jetzt aber zur Gegenwart: Weltoffenheit, soziale Gerechtigkeit gegenüber allen Mitmenschen, aber auch Toleranz und Gewissensfreiheit sind die Kennzeichen christlich-abendländischer Kultur. Sie sind das geistig wertvolle Fundament für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Für die Volkspartei ist die europäische weltoffene Kultur des Verstandes und des Herzens die Grundlage jeglichen politischen Handelns und friedlichen menschlichen Zusammenlebens. Christentum, Humanismus und Aufklärung gebieten Toleranz. Das wollen wir erhalten. Wertordnungen, die Toleranz nicht respektieren, schaffen Anlässe für tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte. Daher lehnen wir die Selbstaufgabe in einer multikulturellen Gesellschaft ab.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite