Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 63

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Die EU steht als Wohlstandszone in Europa unter wachsendem Zuwanderungsdruck. In einem Wirtschafts- und Rechtsraum ohne Binnengrenzen lassen sich Wanderungen nur EU-weit beherrschen und regeln. Richtig ist daher, eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu fordern, zu gestalten, die gesamteuropäischen Interessen dient. Wir lehnen eine unkontrollierte Zuwanderung in die dichtestbesiedelten Regionen Mitteleuropas aus sozialen und ökologischen Gründen ab, nicht aber aus Fragen der Sicherheit, des Asylrechtes. Natürlich sehen wir uns – wir denken über unsere Grenzen hinaus – als Europäer. Der Frieden und die Freiheit in Europa sind nur durch Zusammenarbeit zu sichern. Europa kann eben nur in Freiheit und Frieden weiterleben, wenn es die Kraft zur Einigung findet. Europa war und bleibt nach den Katastrophen dieses Jahrhunderts eine grundlegende Voraussetzung für eine gesicherte Zukunft der europäischen Völker. Und wir sind im Kern dieser europäischen Völker. Nur ein bürgernahes, starkes und entscheidungsfähiges Europa bewahrt den Völkern unseres Kontinents ihre Unabhängigkeit und sichert ihre weltpolitische Handlungsfähigkeit.

Die großen Zukunftsaufgaben Europas lassen sich mit Mitteln des Nationalstaates nicht lösen. Europa muß Frieden und Freiheit sichern. Die wirksame Bekämpfung des international organisierten Verbrechens, die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen angesichts grenzüberschreitender Belastungen sowie die Eindämmung der Zuwanderung und eine verbindliche durchgreifende Regelung des Asylproblems können nur europäisch erfolgen. Deshalb ist die Einheit die Schicksalsfrage Europas. Die Vereinigung Europas ist deshalb auch unsere Zukunft. Die grenzüberschreitenden Herausforderungen erfordern eine internationale Lastenteilung und Zusammenarbeit in der Gemeinschaft.

Jetzt spreche ich etwas an, was gerade uns Österreicher im speziellen betrifft: die europäische Integration in Richtung Osten. Es sind sehr viele, um die es bei dieser Diskussion geht, die aus diesem Bereich kommen. Zusammen mit unseren westlichen Partnern müssen wir Wege finden, den jetzt freien Völkern Mittel-, Süd- und Südosteuropas die geistige, politische und wirtschaftliche Heimkehr nach Europa zu ermöglichen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen des gesamten Westens, den demokratischen Kräften in den ehemals kommunistisch beherrschten europäischen Staaten zu dauerhaftem Erfolg zu verhelfen. Wir sehen hier eine vordringliche Aufgabe. Die Stabilität der eigenen Währung, das Wachstum der eigenen Wirtschaft, die Sicherheit des eigenen Sozialsystems, aber auch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die ein wirkungsvolles Krisenmanagement miteinschließt, sind Voraussetzung dafür, daß die Europäische Union anderen zu helfen imstande ist. Das gilt im speziellen auch für das Asyl- und Fremdenrecht.

Im Hinblick auf das Scheitern des Kommunismus und die Demokratisierungsbewegung bei unseren östlichen Nachbarn stellen sich allen europäischen Völkern neue Aufgaben. Unsere Verantwortung und die wirtschaftliche und politische Vernunft gebieten eine enge Zusammenarbeit der EU-Staaten mit den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Die Bemühungen dieser Staaten unseres Kontinents um Assoziierung oder Beitritt zur Europäischen Union müssen wir soweit wie möglich unterstützen. Dabei möchte ich auf die Bewahrung der Volksgruppen- und Minderheitenrechte in diesem östlichen Europa Bezug nehmen, weil das auch zur Frage Asylrecht gehört. Natürlich treten wir für das Recht auf die angestammte Heimat als ein unabdingbares Menschenrecht ein und verurteilen jede Form der Vertreibung. Eine freie, friedliche und gerechte Ordnung in Europa erfordert zwingend die Schaffung eines international verbrieften Volksgruppenrechtes und eines durchsetzbaren Minderheitenschutzes.

Als Antwort auf nationalistische Irrwege und geschichtliche Katastrophen unseres Kontinents haben wir stets auf ein freies und geeintes Europa zu setzen. In einem Zeitalter globaler Verflechtungen und weltweiter Aufgabenstellungen kann kein europäischer Staat für sich allein die Interessen der Menschen wahren. Deshalb wollen wir ein Europa, daß außen- und sicherheitspolitisch die Kräfte seiner Länder bündelt und die Wirtschaftskraft der ganzen Gemeinschaft zum Wohl jedes einzelnen Landes stärkt. Europas geschichtlicher und geistiger Reichtum kann nur bei Wahrung der Identität seiner Volksgruppen und der heimatgebundenen Lebensfähigkeit seiner Regionen bewahrt werden. Föderalismus und Subsidiarität sind die Bausteine unseres Europa. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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