Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 145

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Ich kann Ihnen auch ein Beispiel dafür geben, was Sie gerade in bezug auf die Lehrlinge erreicht haben. – Vor nicht allzu langer Zeit hat mir ein Hauptschuldirektor folgende Situation geschildert: Einer seiner Hauptschüler, der die Hauptschule mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen hat, hat sich um eine Lehrstelle beworben. Um dieselbe Lehrstelle hat sich ein Schulabbrecher mit vier "Nicht genügend" aus einer AHS beworben. Soll ich Sie raten lassen, wer die Stelle bekommen hat? – Ich erspare es Ihnen! Das ist nicht von mir, das hat mir ein Hauptschuldirektor erzählt, und es ist kein Freiheitlicher, denn wie wir wissen, gibt es – schön nach dem Proporzsystem – rote und schwarze Schuldirektoren, aber keine freiheitlichen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das hat noch gefehlt, daß Sie das jetzt sagen!) Das ist die Realität: Der Schulabbrecher mit seinen vier "Nicht genügend" hat die Stelle bekommen! (Bundesrat Meier: Das ist in Ordnung, wenn er der Bessere war! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist nicht gesagt, daß er der Bessere war!

Ich will Ihnen damit nur zeigen, daß die Hauptschule dank Ihres Bildungssystems kaputt reformiert worden ist. Wir haben es heute bei der Wirtschaft auch schon von Ihnen, Herr Minister, gehört, und teilweise muß ich Ihnen recht geben: Wenn wir heute vom europäischen Raum sprechen, müssen wir auch danach trachten, daß unsere Bildung einem Leistungssystem unterworfen ist, wenn wir nicht das Schlußlicht Europas werden wollen! Derzeit sind wir auf dem Weg dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Kennen Sie nicht die Berichte über das österreichische Schulsystem?)

Bekennen Sie sich zu einem Leistungssystem! Die Schule ist kein verlängerter Kindergarten: In der Schule muß auch Leistung gefordert werden! Den Jugendlichen wird heute oft ein Sicherheitsgefühl vermittelt, das es dann im Berufsleben überhaupt nicht mehr gibt! (Zwischenruf des Bundesrates Meier . – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Trotzdem müssen Sie sich ... (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Herr Kollege Payer! Sie können sich dann noch gerne zu Wort melden, das steht Ihnen frei. Aber da ich jetzt am Wort bin, möchte ich fertig sprechen! (Bundesrat Meier: Das dürfen Sie selbstverständlich!) Danke schön!

Ein Leistungssystem ist etwas ganz Wichtiges. Es ist auch wichtig, daß wir uns zu einer Elitenbildung bekennen. Die Mittelschüler sollen nun einmal die geistige Elite des Landes darstellen. Es soll aber auch ein Facharbeiter und Handwerker genau denselben Stellenwert haben. Er beschäftigt sich nur mit anderen Dingen. Um einen Kasten zu bauen, muß er nicht unbedingt eine Matura haben! (Bundesrat Meier: Aber er kann sie machen!) Wenn er sie erwerben will, Herr Kollege Meier, kann er das auch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt die Studienberechtigungsprüfung. Er kann, wenn ihm das zuwenig ist, auch eine Abendschule besuchen. Niemand hat ihn bislang daran gehindert! Wir sind die letzten, die jemanden daran hindern werden. Aber nun wird eine Ungleichheit per Gesetz geschaffen. Denn wozu soll sich jemand auch noch Chemie, Physik, Musik und Zeichnen antun, wenn er eine Lehre macht? Ich zähle jetzt nicht noch einmal alles auf. Aber warum soll sich jemand dem aussetzen? Das ist eine Ungleichgewichtung! Niemand hindert ihn daran, Matura zu machen! Aber das ist eine Ungleichgewichtung, es ist nicht dieselbe Ausbildung! An der Universität wird sich das dann auch noch zeigen! Es ist nichts gegen die Durchlässigkeit eines Bildungssystems zu sagen, aber wir wollen nicht, daß eine Art Persilschein ausgestellt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

19.48

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es gäbe viel zu dem zu sagen, was Kollegin Mühlwerth jetzt gesagt hat. Ich möchte mir das aber ersparen. Ich möchte nur die Behauptung zurückweisen, daß unsere Facharbeiter und unsere Lehrlinge nicht qualifiziert sind! Sie gehören vielmehr zu den besten in Europa, und um diesen Standard zu erhalten, ist es unsere Verpflichtung und unsere Aufgabe, das Berufsbildungsgesetz und die Berufsreifeprüfung


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