Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 144

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Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

19.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das heutige Gesetz betreffend die Berufsreifeprüfung klingt zwar auf den ersten Blick bestechend, geht aber meiner Meinung nach an der Problematik völlig vorbei. Es wird kein einziger Lehrling deswegen einen Arbeitsplatz erhalten, nur weil das Bildungssystem durchlässiger geworden ist. Denn eine der Ursachen, daß Lehrlinge nicht so gerne aufgenommen werden – das können Sie hinterfragen; fragen Sie Unternehmer –, (Bundesrat Wöllert: Vielleicht wollen einige studieren!) ist die Bildungspolitik, die aus dem Gleis zu laufen droht. Immer mehr Unternehmer sagen, daß die Lehrlinge, die sie bekommen können, eine schlechte schulische Ausbildung haben.

Unter dem völlig falsch verstandenen Begriff der Chancengleichheit hat man zu Beginn der siebziger Jahre damit angefangen, der Bevölkerung einzureden, daß es wichtig sei, daß jeder Matura hat. Das ist für mich nicht Chancengleichheit. Selbstverständlich soll jeder die Chance haben, eine Matura zu erlangen. (Bundesrat Prähauser: Das war auch die Absicht, das andere unterstellen Sie!) Das ist Ihnen aber nicht gelungen! Denn es muß auch jeder die Chance haben, sie nicht zu machen. (Bundesrat Prähauser: Jemand, der dafür geeignet ist, soll sie machen!) Soll sie machen können! Herr Kollege Prähauser! Das Wort drückt es schon aus: Es hängt vom Können ab, Wollen allein genügt nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Heute beklagen viele Lehrer an weiterführenden Schulen und auch Kollegen von Ihrer Partei, Frau Kollegin Kainz – sie sagen es allerdings nur hinter vorgehaltener Hand oder unter vier Augen –, daß zum Beispiel das Niveau der Vermittlung der wichtigen Kulturtechniken an der Volksschule wie Lesen und Schreiben schon sehr reduziert ist. Es ist nicht mehr die Qualität vorhanden, die vorhanden sein sollte. Heute geht nahezu jeder – 80 Prozent – von der Volksschule in die Mittelschule. Die Hauptschule ist in den Ballungszentren zu einer Restschule verkommen. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Auf dem Land funktioniert es noch gut, das muß man betonen, nicht aber in den Ballungszentren. Folglich mußte man, da so viele Schüler in die AHS streben, aber nicht alle mitkommen und nicht alle das Bildungsziel erreichen können, auch in diesem Schultyp das Niveau kontinuierlich absenken. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Das heißt, die Matura hat eine gewisse Inflation erlitten, und das fällt uns natürlich auch bei den Lehrlingen auf den Kopf.

Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, haben vor ein bißchen mehr als 100 Jahren völlig richtig erkannt, daß der Zugang zur Bildung für alle gleich sein muß. (Bundesrat Meier: Darum haben wir überall höhere Schulen errichtet! Viele können heute das erreichen, was sie früher nicht erreichen konnten!) Das unterstreiche ich auch! Aber Sie sind auf diesem Weg leider steckengeblieben! Sie haben es heute mit Ihrer Bildungspolitik geschafft, daß wir im Schulsystem ein Zweiklassensystem haben. (Bundesrat Meier: Sie wollten die Eliten! Damit schaffen Sie noch eine Klasse!) Denn auch Leute, die Sie noch wählen, schicken ihre Kinder heute unter erschwerten Bedingungen in Privatschulen, damit sie die schulische Ausbildung bekommen, die sie sich für ihre Kinder erwarten. (Bundesrat Meier: Das stimmt ja nicht!) Das stimmt sehr wohl, Herr Kollege Meier! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen Sie sich das nur an! Heute wird auch schon darauf geachtet, an welcher Schule Sie maturiert haben! Matura ist nicht mehr gleich Matura! Heute schauen die Unternehmer darauf, welche Schule ein Bewerber besucht hat, bevor er aufgenommen wird.


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