Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 150

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Ich glaube nicht, daß es primär eine Verbesserung der Lehre ist, wenn einem jungen Menschen gesagt wird: Du hast nach der Lehre die Möglichkeit, über die Berufsreifeprüfung ein Studium aufzunehmen. Ich habe mich mit der Frage befaßt, warum junge Menschen einen Lehrberuf ergreifen. Für den Großteil besteht die Hauptbegründung sicherlich in dem Wunsch, einen Beruf zu erlernen, und der junge Mensch identifiziert sich mit diesem Wunsch. Eine zweite Gruppe bilden diejenigen, die keine Lust mehr haben, eine weiterführende Schule zu besuchen – auch solche Jugendliche gibt es. Die dritte Gruppe setzt sich aus denjenigen zusammen, die es nicht schaffen, eine weiterführende Schule zu besuchen.

Damit können wir bereits drei Gruppen junger Menschen unterscheiden, die in das duale Schulsystem eintreten und eine Lehre plus Berufsschule besuchen. Auf diese drei Gruppen ein System abzustellen, ist sicherlich sehr schwierig. Ich glaube, daß "Karriere mit Lehre" nicht Abschluß, Hochschulstudium oder auch Matura umfassen sollte.

Vielmehr scheint mir die Tatsache öfters problematisch zu sein, daß die Matura in unserer Gesellschaft einen solch hohen Stellenwert hat. Das sehe ich oft daran, was Jugendlichen widerfährt, die vom Elternhaus dazu gedrängt werden. Damit ist Prestigedenken verbunden, aber auch die Absicht, daß es die Kinder besser als die Eltern haben sollen, und das ist ein berechtigtes Anliegen von Eltern, das ich niemandem absprechen möchte. Aber ich sehe auch, wie Jugendliche unter diesem Druck scheitern, wie sie belastet sind und mit der Zeit trotzdem schmerzhaft ihre Grenzen erkennen müssen. Es ist schmerzhaft, diese Grenzen in einer Gruppe, die ein anderes Leistungsniveau hat, erkennen zu müssen, und das geschieht auch nicht von einem Tag zum anderen, sondern zieht sich über Monate hin.

Ich möchte auch zu bedenken geben, daß möglicherweise der Eindruck entstehen könnte, auf dem Weg über die Berufsreifeprüfung sei die Matura – wie man umgangssprachlich sagt – "mit links zu schaffen". Es fehlt an Wissen darüber, welche Belastungen, welche Anstrengungen auf einen zukommen, wenn man eine Ausbildung berufsbegleitend absolviert. Dies könnte zum Auslöser dafür werden, daß manche meinen, die Reduzierung auf vier Unterrichtsgegenstände – meine Kollegen haben sie bereits genannt, sodaß ich es mir ersparen kann – stelle einen leichten Weg dar.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, wovon ich spreche, da ich selbst an einer berufsbildenden Abendschule, an einem Kolleg unterrichte und auch mit der Studienberechtigungsprüfung zu tun habe. Ich habe es erlebt, wie Frauen, die eine Berufsqualifikation erwerben wollten, in die Schule kamen und meinten, eine Berufsqualifikation schaffen zu können, wenn sie ihren Willen dazu zeigten, wenn sie die Schule oder Ausbildungsstätte merken ließen, daß es ihnen ein Bedürfnis und ein Anliegen ist. Ich habe aber auch das Scheitern mancher Menschen erlebt, die ihre Grenzen nicht erkannten oder ihre Kräfte überschätzten und ein entsprechend negatives Erlebnis hinnehmen mußten. (Bundesrat Meier: Das gibt es aber überall!)

Ja sicherlich, Herr Kollege, das gibt es überall! Aber es geht auch darum, was wir den Menschen vermitteln wollen. Wenn wir der Gesellschaft, oder in diesem Fall den Jungen, der heranwachsenden Generation vermitteln, daß es eigentlich keine guten Facharbeiter gebe und alles, was es anzustreben gelte, die Matura sei, dann ist das für mich ein falscher Weg. Ich stehe zu den guten Lehrberufen. (Bundesrat Meier: Nichts dagegen!) Ich denke, daß es sehr viele glückliche Facharbeiter und Handwerker gibt und daß die Matura nicht das Allheilmittel ist, um im Leben bestehen zu können. Im Gegenteil, oft zeigt es sich, daß Menschen mit Matura im Leben auch scheitern können. (Bundesrat Freiberger: Die Matura muß nicht jeder machen! – Bundesrätin Kainz: Es soll nur jeder können !)

Ja, Frau Kollegin, ich habe Ihnen vorhin drei Wege aufgezeigt, wie das erreicht werden kann. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Es ist sehr nett, daß Sie alle mit mir in eine Unterhaltung eintreten wollen, aber es ist mir unmöglich, nach links und rechts gleichzeitig zu kommunizieren. Daher werde mich weiter auf meine Ausführungen beschränken. (Bundesrat Prähauser: Davon werden sie auch nicht richtiger!)


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