Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 23

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Meine Damen und Herren! Mit mehr Föderalismus und mit der Bundesstaatsreform meinen wir nicht einen kleinkarierten Kantönligeist – ich möchte das ausdrücklich betonen –, sondern wir sehen darin ein sinnvolles Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Institutionen, die durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union noch um eine Ebene vergrößert wurden. Kompetenzfragen – um diese geht es letztendlich bei der Bundesstaatsreform – sollen nicht zu politischen Machtfragen degradiert werden. Kompetenzverteilung soll ausschließlich Sache der Sinnhaftigkeit sein. Ziel unserer Bemühungen um eine sinnvolle und bürgernahe Aufgabenverteilung soll es sein, daß man den Ländern jene Zuständigkeiten gibt, von denen wir überzeugt sind, daß sie in den Ländern auch entsprechend erledigt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht darum, ungerechtfertigte Bevormundung der Länder auf der einen Seite und sinnlose Doppelverwaltung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf der anderen Seite so rasch als möglich auch im Sinne des Steuerzahlers zu beseitigen. In der föderalen Struktur lassen sich Grundsätze wie Solidarität, Partnerschaft und Partizipation am besten verwirklichen. Konkret heißt das, wie immer wieder zitiert, daß eben die höhere Ebene nur jene Aufgaben übernehmen soll, zu der die untere Ebene nicht in der Lage ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung, daß staatliches Handeln, daß Politik noch mehr als bisher auf die Ebenen der Regionen und auch auf die Ebenen der Gemeinden "heruntergebrochen" werden muß, um eine höhere Bürgerakzeptanz zu finden. Nur wenn wir diesen Ansprüchen Rechnung tragen, werden wir den Menschen in unserem Land wieder das Gefühl geben, daß der Staat eigentlich für sie da ist und daß es sich lohnt, in diesem Staat, in dieser Politik mitzuwirken.

Föderalismus und Subsidiarität heißen für mich als Sohn eines Schneidermeisters, maßgeschneiderte Zustände in Politik und Verwaltung zu schaffen, wobei der Träger des Maßanzuges immer der Bürger sein muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über eine Verbesserung der föderalen Struktur, insbesondere über eine neue Kompetenzverteilung, wird seit langer Zeit verhandelt – ich glaube, seit es den Bundesrat gibt. Es sind aber doch in der letzten Zeit wesentliche Fortschritte erzielt worden. Ich erinnere an das Paktum von Perchtoldsdorf vom 8. Oktober 1992, bei dem Bund und Länder übereingekommen sind, die Bundesstaatsreform nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu verwirklichen. Ursprünglich sollte gemeinsam mit den Beschlüssen zur Europäischen Union diese Bundesstaatsreform beschlossen werden. Das ist, trotz intensiver Verhandlungen, nicht passiert. Wir glauben aber, daß nun die Stunde gekommen ist, daß im heurigen Herbst tatsächlich Nationalrat und Bundesrat die Bundesstaatsreform beschließen können. – Wobei ich dazusage, daß für uns ein inhaltliches Zurückgehen, hinter die Vereinbarungen von Perchtoldsdorf, nicht vorstellbar ist.

Ich hoffe, daß die drei Expertengruppen, die eingerichtet wurden, um die Bundesstaatsreform zu finalisieren, die sich mit den Fragen der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, mit den Fragen der Verfahrensvereinfachung und mit den Fragen der Kompetenzbereinigung beschäftigen, bis Ende August 1997 entsprechende Endformulierungen liefern, sodaß im Herbst die politische Beratung zwischen Ländern und Bund und auf parlamentarischer Ebene erfolgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein besonderes Ziel dieser Bundesstaatsreform muß die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung sein. Die mittelbare Bundesverwaltung mag unmittelbar nach dem Krieg das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung und der Politik günstig beeinflußt haben, mittlerweile aber hat sich die mittelbare Bundesverwaltung zu einem Behinderungs- und Verzögerungsinstrument entwickelt. Es ist an der Zeit, klare Kompetenzen und klare Zuständigkeiten und weniger Mitzuständigkeiten und Mitzeichnungs- und Mitbeschließungsrechte in unserem Staat zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dort liegt auch der wesentliche Vorteil der Bundesstaatsreform für den Bürger. Denn immer wieder werden wir gefragt: Was ist denn die Bundes


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