Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 53

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Innenressorts bewußt ist – ich habe das erst vor kurzem bei der Debatte über den Sicherheitsbericht 1995 anerkannt –, muß ich doch an ein Ereignis der Vergangenheit erinnern.

Als unter dem früheren Ressortchef Dr. Einem noch eine völlig einseitige Perspektive bei der Verfolgung der leider bis heute nicht ausgeforschten Urheber der Briefbombenanschläge vorherrschte, kam es zu folgendem rechtsstaatswidrigem Vorgehen: Allein aufgrund eines vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erstellten hypothetischen Täterprofils beantragte die Staatsanwaltschaft beziehungsweise genehmigte ein Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Eisenstadt die Beschlagnahme der Kartei aller Bezieher der in Graz herausgegebenen Monatszeitschrift "Die Aula"; also einer zugelassenen Publikation, ob man sie nun schätzt oder nicht.

In weiterer Folge führte dieser Eingriff zu einer Fülle von Hausdurchsuchungen oder Einvernahmen von Beziehern dieser Zeitschrift (Bundesrat Dr. Tremmel: Unglaublich!), zum Teil auch von aktiven oder emeritierten Professoren beziehungsweise von Personen im Alter von über achtzig Jahren. (Bundesrat Eisl: Darum ist er jetzt Verkehrsminister!)

Es bedarf daher heute keiner Erörterung mehr dahin gehend, daß bei diesen Recherchen, wie vorherzusehen, kein Erfolg erzielt werden konnte. Wohl aber stellt sich die Frage, ob unter den Auspizien solch ideologischer Voreingenommenheit eines Ressortchefs der große Lauschangriff vertretbar wäre. – Ich räume vorbehaltlos ein: Das gilt natürlich auch unter anderen politischen Vorzeichen.

Die unkritische Mitwirkung von Justizorganen an der vorhin erwähnten Aktion gibt gleichfalls zu denken. Anscheinend vermochten auch sie sich dem damaligen Druck der über die Medien politisch gesteuerten Öffentlichkeit nicht zu entziehen. Gerade einer solchen Resistenz bedürfte es aber, um in brisanten Fällen volles Vertrauen in die Kontrollfunktion von Untersuchungsrichter und Ratskammer setzen zu können.

Mit gewisser Reserve stehe ich auch dem neugeschaffenen Kontrollorgan des "Rechtsschutzbeauftragten" gegenüber. Handelt es sich bei ihm doch um ein von der Exekutive bestelltes, nicht der Justiz zugehöriges Organ, das die richterlichen Verfügungen überprüft, seinerseits aber keinerlei parlamentarischer Kontrolle unterliegt. Diese Lösung gefällt mir weder vom Grundsatz der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit noch vom Aspekt einer erneuten indirekten Stärkung der Exekutive her.

Zweifel sind auch gegenüber einer weiteren, an sich richtigen Vorkehrung zur Vermeidung von Mißbräuchen und Übergriffen angebracht: Die im Gesetz verankerten Beweisverwertungsverbote, die Zufallsergebnisse des Lauschangriffs in bezug auf nicht untersuchte Delikte des Verdächtigten oder hinsichtlich unbeteiligter Dritter betreffen, sind meines Erachtens weder ausreichend noch effektiv. Das liegt für jeden in der Praxis mit derartigen Fragen Befaßten auf der Hand. Ähnlich wie die Veröffentlichungsverbote werden sie ihre Schutzfunktion nicht voll erfüllen und dienen somit primär der Beruhigung des rechtsstaatlichen Gewissens.

Da es mir in meiner Wortmeldung um die Darlegung meiner grundsätzlichen Bedenken geht, ergänze ich diese nur der Vollständigkeit halber um pragmatische Argumente. Hinzuweisen ist sowohl auf die durchaus bekannt hohen Kosten des elektronischen Lauschangriffs und die international belegbare geringe Effizienz dieses Mittels bei der Verbrechensaufklärung als auch auf den technischen und logistischen Vorsprung der mafiosen, kriminellen Organisationen, der den Einsatz der neuen Ermittlungsmethoden weitgehend paralysieren wird. Rechtfertigt ein dermaßen geringer Effekt, der vorweg absehbar ist, dann überhaupt noch den Verlust an Rechtsstaatlichkeit durch derart intensive Grundrechtseingriffe?

Nicht zuletzt ist aus meiner Sicht auch die sogenannte "Kronzeugen-Regelung" äußerst problematisch. Ein Rechtsstaat, der sich nicht bereits selbst aufgegeben hat, kann doch einen Mittäter oder an der Haupttat verantwortlich Teilnehmenden nicht allein deshalb weitestgehend von der der Schuld angemessenen Strafe für ein schweres Delikt befreien, weil dieser nach eigener Mitwirkung an der Tat später zu ihrer Aufdeckung und zur Überführung anderer Mitglieder der kriminellen Organisation durch Offenlegung ihrer Struktur beigetragen hat. Das rechtsstaatliche Prinzip wie auch der Gleichheitssatz werden dabei völlig außer acht gelassen.


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