Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 71

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irgendwo in Österreich eine Exekution laufen hat. Logischerweise sieht jeder, der etwas liefert oder einen Kredit gibt, in dieser Liste nach. Deshalb ist es mit der Vertraulichkeit nicht weit her.

Meine Damen und Herren! Es steht fest, daß die Einleitung eines Sanierungsverfahrens die Bonität eines Unternehmens negativ beeinflußt. Wenn ein derartiges Sanierungsverfahren beantragt wird, und zwar nicht für einen Betrieb, der insolvent ist, sondern für einen Betrieb, der nur in Schwierigkeiten ist, so ist das für die Bonität des Unternehmens mit negativen Folgen verbunden.

Jetzt komme ich zur Antwort auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Kaufmann. Was könnte man besser machen? – Ich sage es noch einmal: Der Herr Ministerialrat hätte nach Italien fahren sollen, weil die Italiener genau wissen, wie man mit notleidenden Forderungen umzugehen hat. Es gibt dort ein herrliches Verfahren – die Administrazione controllata –, das sich der Minister sicherlich genau angesehen hat. Es gibt zahlreiche Ansätze, die dem amerikanischen System entsprechen. Wir Freiheitlichen haben – da wir keineswegs nur aufs Kritisieren aus sind – schon am 31. März 1996 einen entsprechenden Entschließungsantrag im Parlament eingebracht.

Herr Kollege Kaufmann! Ich werde Ihnen eine Kopie dieses Antrags geben, damit Sie wissen, was wir damals zu erreichen versuchten. Wir wollten, daß das amerikanische Chapter-11-Verfahren in die Beratungen einbezogen wird. Der Herr Bundesminister meinte dazu, daß das eine mit dem anderen nicht viel zu tun habe, weil das Chapter-11-Verfahren insolvente Betriebe betreffe, wogegen das österreichische Sanierungsverfahren auf solvente Betriebe anzuwenden sei. Darüber könnte man diskutieren. Aber glauben Sie mir eines, meine Damen und Herren: Es besteht ein riesiger Unterschied zwischen einem Sanierungsverfahren, in dessen Verlauf alle Forderungen während des Moratoriums fällig bleiben, und einem Verfahren wie dem amerikanischen, demzufolge man ein Unternehmen beispielsweise zwei Jahre fortführen kann und in dieser Zeit nur die neu entstehenden Schulden zu bezahlen hat.

Denn bei jemandem, der zum Beispiel eine neue Lieferverbindlichkeit in Höhe von 50 000 S eingeht und alte Verbindlichkeiten in Höhe von 1 Million Schilling zu bedienen hat, bleiben nach dem österreichischen Verfahren während der Sanierung 1 050 000 S fällig. Wenn die Lieferanten sehen, daß dort ein Sanierungsverfahren läuft, ist deren nächster Schritt logisch: Sie fordern die Beträge in der gesamten Höhe von 1 050 000 S ein. Hingegen können gemäß dem Chapter-11-Verfahren, das wir in die Diskussion einzubringen versuchten, nur 50 000 S fällig werden, und das Unternehmen hat zwei Jahre Zeit, sich zu erfangen, vernünftig weiterzuarbeiten und eine Lösung des Problems herbeizuführen. Es geht also darum, die neuen Schulden von den alten abzugrenzen.

Wahnsinnig wichtig und überhaupt entscheidend ist, daß es in der Zeit, in der das Verfahren läuft, keine Exekutionen geben dürfte, denn wenn man versucht, einen Betrieb zu sanieren, dieser wirtschaftlich arbeitende Betrieb aber ständig von laufenden Exekutionen bedroht ist, hat solch ein Verfahren sehr wenig Sinn, weil es keine Klagen gibt.

Wir haben damals in diesem Entschließungsantrag geschrieben, daß es wichtig ist, daß es in dieser Zeit keine Sonderbefriedigung von Gläubigern gibt. Es ist sehr wichtig, daß man sagt, daß niemand bevorzugt wird; das wissen alle, die sich damit beschäftigen. Am Ende steht dann eben entweder eine Sanierung oder eine geordnete Insolvenz. Es gibt also schon Dinge, die man noch etwas besser hätte machen können.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Versuch ist zwar gut gemeint und ordentlich vorbereitet, aber im Endergebnis untauglich, weil er der Wirtschaft außer Verunsicherung nichts bringt. Viele Betriebe werden ab dem 1. September nicht wissen, wie das wirklich läuft. Sie werden nicht wissen, ob sie etwas machen sollen, was sie machen sollen. Sie werden die ersten fünf bis zehn Verfahren beobachten, schauen, wie sie ausgehen. Es wird überall große Unsicherheit eintreten.


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