Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 141

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kein Problem, diese Prioritätendiskussion Ihnen beiden zu überlassen. Ich mische mich da wirklich nicht ein.

Worum es aber natürlich im Kern geht, ist der Versuch – und das ist das "me, too" –, einfach zu sagen: Die Regierung bringt da nichts weiter, während es doch zwischen der Freiheitlichen Partei und dem Landesverteidigungsminister geradezu ein kuschelweiches Harmonieverhältnis, zumindest in dieser Frage, geben würde.

Ich glaube nicht, daß das eine taugliche Grundlage für strategische, politische und staatspolitische Überlegungen ist. Sie haben den Aufruf miteingeschlossen, es ginge hier um staatspolitische, nicht um parteipolitische Interessen. – Natürlich. Aber das Vorzeigen von Sympathie und Anhänglichkeitsbedürfnissen ist ein absolut parteipolitisches und ganz bestimmt kein staatspolitisches Anliegen.

Wir sind – ich verrate damit weder ein Regierungs- noch ein sonst politisches Geheimnis – in dieser Frage von vornherein nicht einer Meinung. Der Standpunkt des Herrn Verteidigungsministers, den er mit Vehemenz in der Öffentlichkeit und auch hier vertreten hat, ist bekannt. Er gehört gewissermaßen zu den Eckdaten einer Debatte, die zu führen ist.

Ich habe auch gar nicht die Absicht, nun in einer vorweggenommenen Polemik diese Diskussion gleich "abzumeiern". Eine Diskussion besteht nämlich nicht darin, sich gegenseitig Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und die Glaubwürdigkeit der Grundlagen abzusprechen, sondern zu versuchen, die Parameter, unter denen zu entscheiden ist, kritisch – auch selbstkritisch – zu beurteilen. Ich will mich daher gar nicht darauf konzentrieren, in meinem Diskussionsbeitrag wortreich eine Gegenposition – obwohl ich sie hätte – zum Verteidigungsminister aufzubauen, sondern es geht mir um folgendes: Es geht darum, klarzumachen, daß wir vor einer zweifelsfrei schwierigen, zweifelsfrei auch harten Diskussion zwischen und durchaus auch im Rahmen der beiden Regierungsparteien stehen und daß wir uns natürlich über manche Prämissen sehr wohl unterhalten müssen.

Es ist ja grotesk genug, wenn Kollege Rieser ausgerechnet Rudi Burger zitiert, aber es soll sein; geschenkt! Dieses Zitat ist mit Sicherheit geschenkt. (Bundesrat Rieser: Bewußt!) – Ja, ja, ist schon gut. Es ist mit Sicherheit einer der schwächeren Texte meines Freundes Rudi Burger. Aber man kann Neutralität auch anders sehen, nämlich als eine autonome Solidarität, und so haben wir sie verstanden. Wir haben in dieser Neutralität eine Fülle von politischen Initiativen, nicht nur zu unserer Sicherheit, sondern auch zur Sicherheit Europas, gestartet und dazu beigetragen. Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie recht haben, daß diese Phase des "kalten Friedens", wie man sie abschließend beurteilen kann, diese 50 Jahre, wirklich ausschließlich dem Gleichgewicht des Schreckens zu danken ist. Da habe ich große Zweifel!

Aber das ist Diskussionsthema, und Sie haben selbst darauf hingewiesen, Kollege Rieser, daß Österreich – vom Staatsvertrag verpflichtet, eine Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz zu führen – sehr rasch eine einseitige Vertragsrevision vorgenommen hat und eben nicht jene Neutralitätspolitik geführt hat, der man im Falle der Schweiz tatsächlich ein wenig unterstellen kann, daß sie das Abseits-Stehen zum Prinzip gemacht hat.

Ich gebe zu, daß ich weit in der Geschichte zurückgreife, aber es war das neutrale Österreich, und zwar jenes Österreich, das gerade erst seine Neutralität erklärt hatte und seine ausländischen Besatzer losgeworden war, das sich im Jahre 1956 jene gigantische Parteinahme zugunsten hunderttausender Verfolgter und flüchtender Bürger eines Nachbarlandes aufgeladen hat. Da sind wir nicht beiseite gestanden und bei vielen anderen Konfliktsituation auch nicht. Und wenn Sie mir die kleine Bosheit gestatten: Bei jenem Konflikt in Bosnien, den Sie angeführt haben, hat sich die NATO auch nicht gerade mit Ruhm "bekleckert"! Darüber sollten wir uns einig sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich tue mir auch ein bißchen schwer mit Ihrer Darstellung, als Sie zwei Staatengruppen angeführt und gemeint haben, daß wir uns aussuchen könnten, wo wir dazugehören. Bei der zweiten Staatsgruppen, zu der Sie nicht dazugehören wollen, haben Sie sich eine Fülle von im allgemeinen Sprachgebrauch eher abschreckenden Beispielen – von der


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