Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 70

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Wenngleich der Außenpolitische Bericht 1996 im Vergleich zu den "Vorgängern" deutlich gestrafft worden ist – ich darf das ebenfalls begrüßen –, bietet er dennoch eine Fülle an Darstellungen der wichtigsten internationalen Entwicklungen in der österreichischen Außenpolitik während des vergangenen Jahres.

Meine Ausführungen werden sich daher in der Folge auf jene Themenbereiche konzentrieren, die mir ein ganz besonderes Anliegen sind. Als überzeugter Europäer beginne ich natürlich mit der Europäischen Union. Wie Außenminister Dr. Schüssel schon in seinem Vorwort zum Außenpolitischen Bericht 1996 anmerkt, ist zu erkennen – ich zitiere –, wie sehr unser gesamtes internationales Handeln im Zeichen der EU-Mitgliedschaft an Breite und Tiefe gewonnen hat. Dies gelte auch für die bilateralen Beziehungen zu unseren Nachbarn in Zentral- und Osteuropa, die unter dem Einfluß unserer vollen Einbindung in einen europäischen Integrationsprozeß eine neue Dimension erreicht haben.

An dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich auf das Thema EU-Erweiterung zu sprechen kommen, um noch einmal kurz die diesbezüglichen Ereignisse 1996 Revue passieren zu lassen: Beim Europäischen Rat in Florenz im Juni 1996, in Dublin im Dezember 1996 hat die EU ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz, bestätigt. Beitrittsanträge liegen von Zypern und von zehn zentral- und osteuropäischen Staaten inklusive baltischer Staaten vor.

Mittlerweile sind im Juli dieses Jahres auch schon Entscheidungen über den Kreis derjenigen Länder gefallen, mit denen 1998 Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Dies möchte ich jetzt gar nicht kommentieren, aber lassen Sie mich zum Thema EU-Erweiterung ein paar grundsätzliche Dinge sagen:

Gerade wir Österreicher müßten massives Interesse an einer EU-Erweiterung und damit auch an den Beitrittsverhandlungen haben, die einen Beitritt in absehbarer Zeit zum Ziel haben. Denn es kann nicht im Sinne unseres Landes sein, auf Dauer Außengrenze der EU zu bleiben. Es ist ganz klar, daß die EU-Erweiterung eine enorme Herausforderung darstellt, und selbstverständlich wird es in einigen Bereichen zu entsprechenden Arrangements und Übergangsfristen kommen müssen, man denke nur an die unterschiedlichen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltstandards, um Anpassungsschocks auf beiden Seiten zu vermeiden.

Eindringlich möchte ich davor warnen, sich im Zusammenhang mit einer EU-Erweiterung in erster Linie mit allen denk- und undenkbaren Schreckensszenarien zu befassen und darüber die Chancen und die vielfältigen Möglichkeiten einer erweiterten EU zu übersehen, von denen gerade Österreich als ein Land in zentraleuropäischer Lage profitieren würde. Mit einem Art Festungssyndrom wird die Zukunft sicher nicht zu bewältigen sein.

An dieser Stelle auch eine kurze Bemerkung zu unserem Nachbarstaat Slowakei: Wie aus dem Außenpolitischen Bericht hervorgeht, hat die EU im April 1996 in einer Demarche ihre Besorgnis über die innenpolitische Lage in der Slowakei zum Ausdruck gebracht. Gerade im Fall Slowakei handelt es sich um eine spezielle Gratwanderung, denn zweifellos sind potentielle EU-Beitrittsverhandlungen an die Einhaltung von Maximen der demokratischen Entwicklung zu knüpfen. Andererseits ist darauf zu achten, einen Dialog aufrechtzuerhalten, um der Bevölkerung nicht den Eindruck zu vermitteln, daß die EU-Tore für sie geschlossen sind, um es bildlich zu formulieren. Österreich soll hier meiner Meinung nach verstärkt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung drängt sich auch das Thema der EU-Institutionenreform an. Dazu ist im vorliegendem Bericht unter dem Punkt Regierungskonferenz 1996 vermerkt: Die geringsten Fortschritte waren im institutionellen Bereich zu verzeichnen, über den eine Einigung erst für die letzte Verhandlungsphase zu erwarten ist.

Meine Damen und Herren! Die Institutionenreform ist ein Werk, bei dem man äußerst behutsam vorgehen muß. Denn schließlich geht es darum, sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen, wobei das Ergebnis die zukünftige Arbeitsfähigkeit der EU sicherstellen soll.


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