Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 71

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In diesem Zusammenhang drängt sich meiner Meinung nach – meine Damen und Herren, Sie kennen vielleicht meine Gedanken – ein Zweikammersystem auf. Das heißt, ein Parlament, in dem die Staaten proportional zu ihren jeweiligen Bevölkerungszahlen vertreten sind; der Ministerrat, der heute praktisch das allein bestimmende Gremium ist, sollte von einem Exekutivorgan, das in der Aufbauphase der EU ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, in der nunmehrigen Konsolidierungsphase in eine echte Legislative umgewandelt werden. In diesem Organ hätten alle Staaten mit je zwei Senatoren gleiche Rechte und Pflichten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wenn dies gegeben ist, aber nicht vorher – keineswegs vorher! –, dann müßten wir, wie auch andere Staaten, nicht mehr darauf bestehen, daß in der Kommission mehr als vierzehn bis sechzehn politisch besetzte Mitglieder sind. Dies würde keineswegs bedeuten, wie es die Kritiker dieser Gedankenlinie immer wieder betonen, daß die EU damit schon ein föderaler Staat wird. Dies würde jedoch meiner Ansicht nach den Status quo transparent und die Gremien arbeitsfähig machen.

Im übrigen erschien dazu erst vor kurzem in der französischen Zeitung "Le Monde" ein Artikel des ehemaligen französischen Kulturministers und engagierten Europäers Jack Lang, der sich explizit für ein Zweikammersystem im vorher genannten Sinne ausspricht.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß gerade wir im Bundesrat für diese Gedanken ein gewisses Verständnis aufbringen müssen.

Bevor ich das Thema EU schließe, möchte ich es nicht verabsäumen, hinsichtlich des europäischen Sicherheitssystems noch einmal auf Außenminister Dr. Schüssels Vorwort im Außenpolitischen Bericht hinzuweisen. Darin betont der Außenminister – ich zitiere –: "Die Erfahrungen des tragischen Konflikts auf dem Balkan haben gezeigt, daß Ideen eines völlig neuen, umfassenden europäischen Sicherheitssystems keine realistische Perspektive darstellen. Die künftigen europäischen Sicherheitsstrukturen werden viel eher auf einem immer dichteren – arbeitsteiligen – Zusammenwirken der bestehenden globalen und regionalen Organisationen und Foren, also insbesondere der Vereinten Nationen, der OSZE; der Europäischen Union, der WEU und der NATO, basieren."

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt die Ereignisse auf dem Balkan haben gezeigt, daß die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU einer der sensiblen Bereiche, wenn nicht der sensibelste Bereich ist. Und man hat dabei auch die Bedeutung der Rolle der Vereinigten Staaten gesehen.

Für so wichtig ich ein gutes Zusammenwirken mit transatlantischen Partnern auch halte, so meine ich doch, daß sich für Europa stärker die EU einsetzen sollte. Daher bin ich der Ansicht, daß sich auch im Sicherheitsbereich immer stärker die Notwendigkeit abzeichnet, einen Art Aufgabenkatalog zu erstellen, in dem die Aufgaben Brüssels und die Aufgaben der einzelnen EU-Staaten festgelegt werden. Diesbezüglich wurde beim kürzlich abgehaltenen Europaforum in Wien die Frage einer europäischen Verfassung diskutiert, für die sich gewichtige Teilnehmer in dankenswerter Weise besonders einsetzen wollen.

Nun möchte ich mich aber anderen internationalen Organisationen widmen, allen voran den Vereinten Nationen, für die 1996 nicht nur aufgrund der akuten finanziellen Notlage ein schwieriges Jahr war. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen war Wien bei der Kandidatur um den Amtssitz für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Atomwaffentests erfolgreich. Als wichtige in Wien angesiedelte Programme der UNO sind vor allem das internationale Drogenkontrollprogramm und das Verbrechensverhütungsprogramm zu nennen. Im Zusammenhang mit der UNO und dem Thema Verbrechensbekämpfung möchte ich auch anmerken, daß ich die jüngste Initiative von Außenminister Dr. Schlüssel gegen das Schlepperunwesen außerordentlich begrüße.

Meine Damen und Herren! Der Außenpolitische Bericht 1996 belegt deutlich die wirtschaftliche Bedeutung Wiens als Sitz internationaler Organisationen, was zweifellos von gesamtösterreichischem Interesse ist. Dabei möchte ich neben den UNO-Einrichtungen vor allem die OSZE, die


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