Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 102

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nannt, und der "Iran and Libya Sanctions Act", ebenso kurz als "D’Amato-Gesetz" bezeichnet. Beide Gesetze stammen aus dem Jahr 1996.

Diese zwei Gesetze stellen im Ergebnis einen ebenso eklatanten wie schwerwiegenden Verstoß gegen internationales Recht dar; ich hätte formuliert: einen einzigartigen Verstoß, wären nicht vergleichbare Übergriffe der USA leider kein Einzelfall. Dabei habe ich durchaus nicht das dubiose Einreiseverbot gegenüber einem ehemals amtierenden Staatsoberhaupt im Auge! – Mit diesen zwei Gesetzen geht es dem Kongreß nämlich nicht allein darum, amerikanische Behörden und Handelsfirmen streng an den wirtschaftlichen Boykott Kubas einerseits und des Iran und Libyens andererseits zu binden. Das wäre durchaus Sache der USA. Es geht jedoch weit darüber hinaus vielmehr um das Ziel, auch alle übrigen Staaten und ihre Unternehmen dem amerikanischen Boykott indirekt zu unterwerfen.

Mit anderen Worten: Die USA erstrecken mit diesen zwei Gesetzen ihre interne Regelung nach außen, erheben für sie also einen weltweiten Geltungsanspruch. Indem sie jede ausländische juristische oder natürliche Person, die sich nicht an diese Gesetze hält, mit einschneidenden Sanktionen bedrohen, maßen sie sich weltweit auch Jurisdiktionsgewalt an. Und eben das ist in der EG-Verordnung in diplomatischer Verbrämung mit der Wendung umschrieben "Auswirkungen extraterritorialer Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte".

Im Klartext: Die USA arrogieren sich das Recht, ausländische Unternehmen für ein außerhalb der USA gesetztes, nach ausländischen wie internationalen Normen rechtmäßiges Verhalten in den USA zu sanktionieren. Insbesondere soll im letzten sogar das dort belegene Vermögen der ausländischen juristischen und natürlichen Person beschlagnahmt werden können. Ich denke – Sie werden mir gewiß darin zustimmen! –, daß man keineswegs ein juristischer Experte sein muß, um das als flagrante Verletzung des Völkerrechts zu erkennen.

Insofern versteht sich auch von selbst, daß kein anderer Staat, der seine Souveränität noch nicht an die USA abgetreten hat, solche Übergriffe in die eigene Hoheitsgewalt hinnehmen kann. Das wollte sich offensichtlich auch die EU nicht bieten lassen. Das wird an der scharfen Kritik des Europaparlaments ganz deutlich; heißt es doch im Bericht Kittelmann vom 25. 10. 1996 in sonst unüblicher Klarheit, daß – so wörtlich – "der Versuch der USA als Weltpolizist – gegen die Vereinbarung der WTO – einer Ausdehnung ihres nationalen Rechts auf Personen aus Drittstaaten, die Neuinvestitionen in den genannten Ländern vornehmen wollten, nicht zumutbar ist". – Dieser Formulierung ist nichts hinzuzufügen.

Wohl aber erhebt sich für mich die Frage, ob die EU dieser zutreffenden Diagnose mit einer angemessenen Therapie begegnet ist. Daran sind für mich größte Zweifel angebracht.

Gewiß ist es das anzuerkennende Anliegen der Ratsverordnung, die legitimen Interessen der Gemeinschaft und derjenigen natürlichen und juristischen Personen, die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehen, zu schützen. Das soll, wie es so schön heißt, durch Aufhebung, Neutralisierung, Blockierung oder anderwärtige Bekämpfung der Auswirkungen der betreffenden ausländischen Rechtsakte geschehen.

Auf welchem Weg und mit welchen Mitteln versucht man indes, mit der Verordnung dieses Ziel zu erreichen? – Primär auf eine zumindest auf den ersten Blick geradezu paradoxe Weise: Indem sie die von den negativen Auswirkungen Betroffenen, also sozusagen das Opfer und nicht der Täter, in die Pflicht nimmt! Artikel 2 verpflichtet nämlich jede Person, deren wirtschaftlichen und beziehungsweise oder finanziellen Interessen durch die erwähnten extraterritoritalen Rechtsakte beeinträchtigt werden, die Kommission binnen 30 Tagen davon zu unterrichten. Und Artikel 5 bestimmt, daß keine Person aktiv oder durch bewußte Unterlassung Forderungen oder Verboten, aber auch Aufforderungen ausländischer Gerichte nachkommen darf, die auf solchen extraterritorialen Rechtsakten beruhen oder sich daraus ergeben. Mißachtungen dieser Pflichten sind mit wirksamen und abschreckenden Sanktionen zu belegen, die von den Mitgliedstaaten festzusetzen und zu verhängen sind. Es sind also wohlgemerkt Sanktionen gegen die von den völkerrechtswidrigen Akten betroffenen Personen und nicht etwa gegen die Urheber dieser illegalen Normen und Vollzugsakte zu treffen!


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