Bundesrat Stenographisches Protokoll 631. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Das ist einmal die Frage einer garantierten Mindestausbildungszeit. Dadurch, daß die Lehrlinge in der Berufsschule sind, alle möglichen Kurse absolvieren und Urlaubszeiten haben, sind sie heute fast nicht mehr im Betrieb. Daher müßte man, so glaube ich, einmal eine garantierte Mindestausbildungszeit im Gesetz verankern.

Weil vorhin gesagt wurde, daß der Zugang zur Lehrlingsausbildung heute sehr leicht ist, ... (Bundesrat Drochter: Erleichtert wurde!) Erleichtert wurde! Ja, aber wenn ein Betrieb keinen Jungvertrauensrat hat, dann dauert es länger, bis er einen Feststellungsbescheid bekommt, als bei jenen Betrieben, wo einer vorhanden ist. Hier sollte man gemeinsam versuchen, die Bürokratie abzubauen.

Weil du vorhin erwähnt hast, daß im Gastgewerbe ungefähr 4 000 ältere Arbeitnehmer betroffen wären, wenn die Arbeitszeit auf 23 Uhr ausgedehnt wird, könnte ich natürlich sofort fragen: Und die Jugend ist kein Anliegen für die Gewerkschaft? Wir haben allein in Niederösterreich mehr als 200 offene Stellen für Lehrlinge im Gastgewerbe, und ich glaube, hier gibt es sicherlich eine Chance für die Unterbringung von Jugendlichen. Es ist natürlich wirklich nicht einzusehen – bitte, erklär das einem Gastwirt –, daß ein Lehrling hinter der Theke nicht stehen darf, er aber vor der Theke bis drei Uhr in der Früh feiern kann. Es ist nicht erklärlich, warum er nicht zumindest bis 23 Uhr arbeiten darf, noch dazu, wo wir die Sommerzeit haben, wo die Gäste meistens erst um 21 Uhr essen kommen – und um 22 Uhr muß sich der Lehrling verabschieden! Kollege Drochter! Das ist wirklich nicht einzusehen. (Bundesrat Drochter: Ich würde gerne einmal mit dir gemeinsam in ein Gasthaus essen gehen und schauen, ob wir um 23 Uhr noch ein warmes Essen kriegen! Das gibt es nicht einmal in Wien!) – Ich habe dich leider nicht verstanden.

Ich glaube, 23 Uhr ist eine Minimalforderung.

Du hast auch noch die ausbildungshemmenden Rechtsvorschriften erwähnt. Da kann ich dir ein nettes Beispiel bringen: Es wollten die Tankstellenbesitzer Lehrlinge ausbilden. Dabei ist man daraufgekommen, daß der Lehrling unter 18 Jahren nicht mit Benzin hantieren darf. In sein Moped darf er aber Benzin einfüllen, bei der Tankstelle darf er aber nicht arbeiten. Daher ist das Ganze wieder abgeblasen worden. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, welch ausbildungshemmende Vorschriften es gibt. Oder: Die Dachdeckerlehrlinge dürfen nur auf ein gesichertes Dach steigen. Das heißt im Endeffekt, er darf nur auf ein Flachdach steigen, weil nur dieses gesichert ist. Ich weiß, Frau Ministerin Hostasch hat diesbezüglich eine andere Vorstellung. (Bundesrat Drochter: Wie lange soll für den Burschen an der Tankstelle die Lehrzeit sein? 3 Jahre?)

Kollege Drochter! Ich will es nicht ins Lächerliche ziehen. Wir haben in Niederösterreich jede Menge Tankstellen, und es gab von den Tankstellenbesitzern wirklich den Versuch, einen Lehrberuf aufzubauen, der daran gescheitert ist, daß ein Lehrling unter 18 Jahren keinen Zapfhahn in die Hand nehmen darf. Aber als Mopedfahrer darf er schon mit 16 Jahren selbst Benzin einfüllen. (Bundesrat Meier: Das ist schon ein Unterschied! Dort gehen 5 Liter hinein und dort Tausende!)

Zur Anlehre: Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaft so dagegen ist. Es geht nicht darum, daß sich die Unternehmer die Lehrlingsausbildung ersparen wollen. Kollege Drochter! Du mußt mir recht geben: Es gibt soundso viele Jugendliche, die heute nicht das Lehrziel erfüllen – aus bestimmten Gründen. Es wäre doch sinnvoll, wenn auch diese Lehrlinge die Möglichkeit hätten, ein Abschlußzeugnis zu bekommen. Der Betreffende wäre dann stolz darauf, daß er eine Ausbildung abschließen konnte, auch wenn es nur in einem Teilbereich ist. Worin soll die Schwierigkeit bestehen, daß ein Lehrling nur im Teilbereich ausgebildet ist? (Bundesrat Drochter: Zum Beispiel!) – Im Schweißer-Bereich etwa. Es gibt einige solche Bereiche, wo Teilausbildungen möglich wären.

Man muß doch stolz darauf sein, wenn man einem Jugendlichen die Möglichkeit bietet, eine abgeschlossene Ausbildung zu haben. Ist es vielleicht gescheiter, wenn dieser als Hilfsarbeiter eingestellt wird? Daher verstehe ich nicht, warum die Anlehre so von der Gewerkschaft verteufelt wird.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite