Bundesrat Stenographisches Protokoll 631. Sitzung / Seite 111

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

das bedauerlicherweise mit der Unterstützung eines beträchtlichen Prozentsatzes – wir wollen nicht rechten, wie viele es von den Sudetendeutschen in Tschechien waren – hier wie überall, wo dieses Regime geherrscht hat, Menschen in Konzentrationslagern verschwinden ließ, Menschen ausrottete, Dörfer – der Name Lidice ist ein weltweiter Begriff geworden – vernichtete, eine Geschichtsbetrachtung, die all das ausblendet, ist schon nicht mehr einäugig, sie ist blind.

Sie haben in Ihrer Rede eine eigenartige Formulierung verwendet, gegen die sich wohl der Apostrophierte am meisten zur Wehr setzen würde. Sie meinten, Simon Wiesenthal verdiene Respekt, weil er sich für seine Ethnie eingesetzt hätte. – Nein. Simon Wiesenthal verdient Respekt dafür, daß er uns, die wir Nichtjuden sind, darüber nachzudenken gezwungen hat, wie unsere Vorfahren Juden in diesem Land behandelt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist unsere Aufgabe – da gehe im Endergebnis, aber wirklich nur im Endergebnis, mit Ihnen konform –, auch im tschechischen Volk, auch bei tschechischen Politikern Verständnis dafür zu gewinnen, daß die Beneš-Dekrete tatsächlich etwas Menschenverachtendes sind, daß sie ein großer Fehler sind, den das tschechische Volk begangen hat. Aber wir sind die letzten, die mit erhobenem Zeigefinger sagen können, hier stellen wir Bedingungen, hier blenden wir ganze Phasen der Geschichte aus, hier kümmern wir uns, wie Sie so schön gesagt haben, um die Interessen unserer Ethnie. Nein, das sind wir nicht bereit zu tun.

Wir treten umfassend für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein, und wir treten dafür ein, daß diese Grundwerte überall verwirklicht werden. Aber das ist ein Weg, bei dem man Anregungen geben kann und Hilfen geben kann, aber ein Weg, den jedes Volk durch einen Blick in seine eigene Geschichte für sich selbst erschließen muß.

Ein guter Teil des österreichischen Volkes ist in bezug auf seine Geschichte zu Einsichten gekommen. Auch ein beträchtlicher Teil des tschechischen Volkes problematisiert eine aus der Kausalität nur zu verständliche, aber dennoch falsche Reaktion. Eine Betrachtungsweise, die ausblendet, was das tschechische Volk – wie alle anderen Völker, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus leben mußten – erlitten hat, ist eine Beleidigung für all jene, die diesem Regime in Deutschland, in Österreich und in Tschechien zum Opfer fielen, und auch für die Deutschen der Sudetengebiete. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Helga Markowitsch. Ich erteile es ihr.

16.56

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute das Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden. Damit sollen österreichische Staatsbürger, die in der ehemaligen CSSR und DDR Vermögensverluste hinnehmen mußten, entschädigt werden. Als erstes möchte ich auf das Entschädigungsgesetz CSSR eingehen.

Österreich und die CSSR haben 1974 einen Vermögensvertrag unterzeichnet. Aufgrund dieses Vertrages erhielt Österreich eine Globalentschädigung von der damaligen CSSR in der Höhe von mehr als 1,5 Milliarden Schilling zur Abgeltung von Vermögensverlusten österreichischer Staatsbürger, die etwa durch Vergesellschaftungen von Liegenschaften oder die Einziehung von Bankguthaben und Wertpapieren entstanden waren.

Um zu den entschädigungsberechtigten Personen zu gehören, muß man zwei Kriterien erfüllen. Man muß am 24. April 1945 nach dem Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz 1945 und am Tag der Unterzeichnung des Vertrages, also am 19. Dezember 1974, die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben. Gleiches gilt für juristische Personen, die an den zwei Stichtagen, die ich genannt habe, ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich hatten. Der Wert des


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite