Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 109

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Uns erschien aufgrund einer Anregung des Europäischen Parlaments die Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus für unbedingt notwendig. Was ist daher naheliegender, als den 5. Mai als Gedenktag einzuführen, also jenen Tag, an dem im Jahre 1945 der letzte Gefangene aus dem KZ Mauthausen entlassen wurde? – Aus jenem KZ, das 1938 gegründet wurde, das etwa 210 000 Gefangene aus vielen europäischen Staaten aus den verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Gründen, aber auch aus rassistischen oder anderen Gründen inhaftiert hatte.

Stimmen wir für diesen Gedenktag, und stimmen wir damit für einen Tag der Mahnung! Für einen Tag der Mahnung deswegen, damit wir aufzeigen, daß sich der Faschismus in unserer Heimat niemals mehr wiederholen soll! (Allgemeiner Beifall.)

16.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort.

16.37

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir stehen heute vor einem bemerkenswerten Beschluß. Zum einen geht es darum, sich vor den Opfern des Nationalsozialismus zu verneigen und ihnen Respekt zu erweisen, und um ein Zeichen dafür zu setzen, daß sie nicht vergessen sind, wie auch dafür, daß wir aus einer äußerst leidvollen Geschichte gelernt haben.

Zum anderen stehen wir aber auch deshalb vor einem bemerkenswerten Beschluß, weil wir heute gemeinsam diesen symbolischen Akt setzen, und weil "gemeinsam" dabei heißt, daß dies über Parteigrenzen hinweg geschieht; über Parteigrenzen hinweg, die in der Vergangenheit – das darf nicht verschwiegen werden – leider auch Gräben und Klüfte aufwiesen. – Dies sowohl zwischen den gegenwärtigen Regierungsparteien, deren Gegensatz – korrekt: zwischen ihren historischen Vorgängern – in der Ersten Republik und auch noch zu Beginn der Zweiten Republik eine offene Wunde war, und dies bei aller Versöhnungsbereitschaft, die bereits in Gefangenschaft und Emigration vorbereitet worden war, als auch zwischen diesen beiden und dem sogenannten Dritten Lager, das nach dem untypischen Zwischenspiel des VdU in der Freiheitlichen Partei einen relativ späten – und wie wir meinen letztlich doch eigenständigen – Nachfolger gefunden hat.

Ich persönlich meine und – wie ich hoffe: wir alle meinen –, daß diese historischen Gegensätze, die auch mit in die Irre und in die düstersten Zeiten geführt haben, in dauerhafter Weise überwunden sind. Das heißt nicht, daß ich in vordergründigem Optimismus und naiver Fortschrittsgläubigkeit annehme, daß es überhaupt keine geschichtlichen Rückschläge mehr geben könnte. Wir haben dies jüngst schmerzlich in nicht allzu ferner Nachbarschaft erfahren müssen.

Verübeln Sie es mir aber dennoch nicht, wenn ich von der Geschichtsphilosophie Hegels, die ich freilich in vielen Punkten nicht teile, zumindest soviel übernehme, daß ich davon überzeugt bin, daß es – gewiß nicht im linearen Aufstieg, aber doch à la longue – so etwas wie einen "Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit" gibt.

Von da her denke ich auch, daß wir uns – um noch einmal Hegel zu zitieren – auch von der "Raserei der Negation" endgültig verabschiedet haben. Nicht zuletzt deshalb begrüße ich auch, daß als Jahrestag des heute vorzusehenden Gedenktermins der 5. Mai gewählt worden ist. Welcher andere Tag böte sich dafür eher an als jener, an dem sich die Tore des Konzentrationslagers Mauthausen, des größten auf österreichischem Boden mit den höchsten Opferzahlen – sie wurden bereits genannt –, zu einer wahren Freiheit öffneten und sie nicht mehr länger bloß im Zeichen der zynisch formulierten Devise: "Arbeit macht frei" standen.

Die Ehrlichkeit, mit der ich persönlich den vorliegenden Antrag akzeptiere, mit der ihm meine Fraktion zustimmt, mit der wir alle ihn gern annehmen, sofern das Adjektiv "gern" im höchst tristen und betroffen machenden Zusammenhang des historischen Anlasses überhaupt paßt, gebietet freilich auch Offenheit für andere, der Intention nach vergleichbare Anliegen. In diesem Sinne hoffe ich künftig vermehrt auf das Verständnis unserer Kollegen dafür, daß meine Frak


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