Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 114

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Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht der Parteien, insoweit nicht Aussageverweigerungsgründe in sehr engem Ausmaß vorliegen, maßgeblich, ganz unabhängig davon, ob das der dieser Pflicht unterliegenden Partei schadet oder nützt. – Insofern es in Untersuchungsausschüssen nicht um strafrechtlich relevante Tatbestände geht, sehe ich daher keine Notwendigkeit, die Wahrheitspflicht der Auskunftspersonen ebenso wie im Strafprozeß zu lockern.

Auch die Parallele zum Beweisbeschluß des zivilgerichtlichen Verfahrens trifft meines Erachtens nur sehr begrenzt zu. Denn dieser rein prozeßleitende, das heißt jederzeit abänderbare und den Richter nicht bindende Beschluß strukturiert zwar zweifellos das Beweisverfahren, er grenzt aber keineswegs die Entscheidungsgrundlage ab. Vielmehr ist es ganz unbestritten, daß das Gericht auch für die Entscheidung erhebliche Beweisergebnisse zu berücksichtigen hat, die weder im Beweisbeschluß noch im expliziten Tatsachenvorbringen der Parteien oder in diesbezüglichen Beweisanträgen gedeckt sind.

Mit anderen Worten: Auch darüber hinausreichende Beweisergebnisse sind dem Urteil zugrunde zu legen. Richtig ist lediglich, daß ein Beweisbeschluß des Untersuchungsausschusses im Untersuchungsauftrag des Nationalrates legitimiert sein muß. Dieser deckt sozusagen den Gegenstand des Untersuchungsverfahrens und steckt damit seinen rechtlichen und tatsächlichen Rahmen ab.

Zum Beweisverfahren ist festzuhalten, daß es sich nur zum Schein dem gerichtlichen Verfahren anpaßt. Bereits in bezug auf die Erlangung von beweis- und entscheidungsrelevanten Urkunden bleibt die vorliegende Verfahrensordnung weit hinter dem Standard gerichtlicher Prozeßordnungen zurück. Die Vorlagepflicht müßte zumindest in dem Ausmaß gesichert sein, das dem Zivilprozeß entspricht.

Bei aller Anerkennung des angestrebten Zieles, die neuen Regeln an der Rechtsstaatlichkeit zu orientieren, ist es erstaunlich, daß im Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse Beweismittelverbote etabliert sind, die bislang im gerichtlichen Verfahren keineswegs anerkannt sind.

Einem Gesetzgeber, der sich bis heute nicht dazu durchringen konnte, in rechtsstaatlichen Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden so weitgehende Beweisverbote zugunsten privater Verfahrensparteien, also zum Schutze des Bürgers, zu erlassen, steht es meines Erachtens schlecht an, solche Verbote erstmals und gerade in parlamentarischen Untersuchungsverfahren vorzusehen, bei denen es – wie schon gesagt – vorwiegend um den Schutz von Politikern und Angehörigen der Hochbürokratie geht.

Hinsichtlich des Entschlagungsrechtes folgt § 7 den Bestimmungen über das zivilgerichtliche Verfahren; aber welchen? – Bezug genommen wird hier wieder auf die weitergehenden Aussageverweigerungsgründe für Zeugen, nicht aber auf die eingeschränkteren für Prozeßparteien. Nun wird eine Auskunftsperson im Regelfall zweifellos eher einem Zeugen entsprechen. Überall dort, wo die Untersuchung unmittelbar auf die politische Verantwortung bestimmter Personen abzielt, diesen also zwar nicht formell, aber materiell quasi Parteistellung zukommt, läge doch eher der Verweis auf die geringeren Aussageverweigerungsgründe für Parteien nahe.

Weshalb es einer Zweidrittelmehrheit des Ausschusses bedarf, um an der Vernehmung eines öffentlich Bediensteten festzuhalten, wenn die Dienstbehörde die Vertraulichkeit der Aussage verlangt, ist unerfindlich. Soll damit die parlamentarische Mehrheit eine Behörde beziehungsweise ihre Repräsentanten, weil sie ihr politisch nahestehen, vor der Aufdeckung von Fehlverhalten schützen können?

Gegen die Klarstellung, daß auch Lebensgemeinschaften die Angehörigeneigenschaft bewirken, erhebe ich keinen Einwand. Erneut stört mich daran bloß, daß dies für den Zivilprozeß unverändert nicht gilt.

Die Belehrung von Vertrauenspersonen über die strafrechtlichen Folgen der Bestimmung, das heißt Anstiftung von Auskunftspersonen zu einer falschen Beweisaussage, müßte meines Er


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