Bundesrat Stenographisches Protokoll 633. Sitzung / Seite 27

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Es ist festzustellen: Nachtarbeit ist gesundheitsschädlich, Punkt!, und zwar gesundheitsschädlich für Männer und Frauen. Die oberösterreichischen ÖGB-Frauen haben sich in einer zweijährigen Projektarbeit mit Nachtarbeit beschäftigt und haben einer Fülle von Material, das von unumstrittenen Wissenschaftlern, von Arbeitsmedizinern, von Interessenvertretungen stammt, zusammengetragen, das allen zur Verfügung steht. Das Ergebnis dieser Projektarbeit läßt sich auf diesen einen Satz reduzieren. Eine der Formulierungen lautet: Regelmäßig geleistete Nachtarbeit gefährdet die Gesundheit, verkürzt die Lebenserwartung. Nachtarbeit ist daher für Frauen und Männer gesundheitsschädlich. Sie führt auch zu vegetativen Störungen.

Ich brauche auf die gesellschaftspolitische Bedeutung der Nachtarbeit, auf das Aus-dem-gesellschaftlichen-Betätigen-Herausnehmen jener, die Nachtarbeit leisten, nicht näher einzugehen. Die Nachtarbeit verwehrt ihnen, sich tagsüber im gesellschaftlichen Rahmen zu betätigen, weil sie einen anderen Lebensrhythmus entwickeln müssen, der, wie die Medizin eindeutig feststellt, nicht stattfinden kann. Der Zirkadian-Rhythmus des Menschen ist so festgelegt, daß der Wechsel vom Körper nicht verkraftet wird.

Nachtarbeit ist eine Arbeitszeitform, die auch bei optimaler Organisation im Betrieb und bei sozialer Gestaltung dem natürlichen Lebensrhythmus widerspricht. Natürlich wissen wir, daß es Notwendigkeiten der Nachtarbeit gibt. Wir wissen, daß die soziale Versorgung und die Versorgung im medizinischen Bereich notwendig sind, wir wissen auch, daß es gesellschaftsrelevante Tätigkeiten gibt, die in der Nacht verrichtet werden müssen, und wir verleugnen auch nicht, daß es technologische Prozesse gibt, die in der Nacht abgewickelt werden müssen.

Es ist heute die Äußerung gefallen: Dann wird die Nachtarbeit zu teuer! Meine Damen und Herren! Genau darum geht es. Nachtarbeit muß sich, wenn sie nicht aus Überzeugung auf das unbedingt notwendige Maß einzuschränken ist, aus wirtschaftlichen Überlegungen der restriktiven Ausübung beugen. Wir als ÖGB-Frauen hätten lieber ein Gesetz gehabt als kollektivvertragliche Regelungen, weil – ich sage das ganz offen – die Kollektivvertragspartner manchmal aufgrund der Tatsache, daß da nur sehr wenige Frauen vertreten sind, vor allem in jenen Bereichen, in denen die Nachtarbeit große Bedeutung unter dem Druck der Vergangenheit bekommen hat und in denen Frauen mit ihren Argumenten weniger durchkommen, eher bereit sind, den finanziellen Vorstellungen Rechnung zu tragen.

Wir haben aber in der Vergangenheit gesehen, daß alle Versuche, zu einem Nachtarbeitsgesetz zu kommen, das grundsätzlich, wie das in anderen europäischen Ländern möglich ist, die Nachtarbeit verbietet, aber Ausnahmebestimmungen fixiert, gescheitert sind. Es war nicht möglich, da zu einem tragfähigen Kompromiß zu kommen. Daher mußte jetzt die Variante gewählt werden, das über Kollektivverträge zu regeln. Es besteht aber die Möglichkeit, vor allem für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer, da Einfluß zu nehmen. Das im Entwurf und in den Erläuterungen als Zielsetzung vorhandene Paket der Begleitmaßnahmen läßt hoffen, daß es in den Kollektivverträgen zu Regelungen kommt, die es den Betriebsräten in den Unternehmen ermöglichen, befriedigende Betriebsvereinbarungen abzuschließen.

Ich möchte noch einen ganz wesentlichen Punkt, und zwar die Frage der Zeitzuschläge, ansprechen. Es darf nicht so sein, daß das gesundheitliche Befinden, das unter der Nachtarbeit leidet, mit Geld abgegolten wird. Es sind daher flankierende Maßnahmen zu setzen. Die wesentlichste flankierende Maßnahme überhaupt ist, die Nacharbeit zeitlich anders zu bewerten.

Ich hoffe, daß dies in den Kollektivvertragsverhandlungen gelingt und daß der Grundsatz, den arbeitenden Menschen ihre Gesundheit zu erhalten, was wir als sehr wichtig erachten, zum Tragen kommt, damit – und damit komme ich zurück zu dem, was ich schon zuvor gesagt habe – die Menschen einigermaßen gesund jene Früchte ernten können, die sie mit ihren Beiträgen und mit ihrer Beschäftigung in das soziale Netz eingebracht haben, nämlich daß sie gesund ihre Pensionsleistungen in Anspruch nehmen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.31


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