Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 71

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Berechnungen angestellt haben, daß die Entlastung auf der Gerichtshofsebene im Durchschnitt etwa 15 Prozent darstellen wird. Die Streuung auf die vielen Bezirksgerichtseinheiten führt aber dazu, daß dort im Durchschnitt lediglich ein Zuwachs von durchschnittlich etwas über 2 Prozent sein wird. Man sieht also, daß auch beträchtliche Veränderungen durch die große Streuung in der unteren Ebene nur wenig Auswirkungen aufgrund der Zuständigkeitserweiterung haben. In den Ballungsgebieten allerdings wird es doch zu einer gewissen personellen Umschichtung und Besserausstattung der Bezirksgerichte kommen müssen.

Wenn in jenen Bereichen, die über den eigentlichen Wertgrenzenbereich hinausgehen und das Zivilverfahren betreffen, oder an den Zuständigkeitsvorschriften der Jurisdiktionsnorm Kritik geübt wurde, so ist das natürlich aus der Sicht des sich hier fachkundig zu Wort Meldenden verständlich. Ich meine aber, daß wir doch einiges dagegenzusetzen haben.

Was den erwähnten "Gerichtsstandsdschungel" anlangt, möchte ich darauf hinweisen, daß bereits im Jänner 1998, also in wenigen Wochen, in Brüssel eine Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnimmt, die die Überarbeitung des Lugano-Übereinkommens, aber auch des Brüssel-Übereinkommens zum Ziele hat und die ihre Arbeit bis zum Jahresende abschließen soll. Es ist uns daher sinnvoll erschienen, da aufgrund dieser Arbeit neuerliche Änderungen im Zuständigkeitsbereich notwendig sein werden, daß wir nicht jedes Jahr unser Zuständigkeitssystem ändern – es wären alle verwirrt, niemand kennt sich dann mehr aus –, sondern daß wir es jetzt einmal mit dieser Implementierung belassen und nach dem Ergebnis der Überarbeitung dieser EU-Übereinkommen eine Generaldurchforstung der Gerichtsstände der Jurisdiktionsnorm vornehmen werden, wobei wir freilich doch auch die bisherige innerstaatliche Bewährung der österreich-spezifischen Gerichtsstände nicht aus den Augen verlieren wollen.

Wenn grundsätzlich moniert wurde, daß die Parteienmaxime, Unmittelbarkeit des Verfahrens, rechtliches Gehör et cetera, unausgewogen verändert wird, so möchte ich darauf hinweisen, daß die Stellungnahmen dazu durchaus gegenläufig waren. Eines der Ziele dieses Gesetzesvorhabens ist auch eine gewisse Beschleunigung des Verfahrens, und das steht nun einmal mit anderen Überlegungen und Grundsätzen in einem gewissen Spannungsverhältnis. Wir meinen, daß es gelungen ist, die Regelungen doch durchaus ausgewogen vorzunehmen.

Daß eine weitergehende amtswegige Präklusion, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen war, im Ausschuß eliminiert wurde, ist erwähnt worden. Es ist demjenigen, der dies erwähnt hat, auch bekannt, von welcher politischen Seite das im Ausschuß initiiert worden ist.

Zum diesbezüglich aufgeworfenen Thema ist zu bemerken, daß es nicht einfach ein Sich-Verschweigen der Partei oder des Vertreters ist, wenn von gewissen Rechten künftig nur mehr über Antrag Gebrauch gemacht wird, sondern daß wir eine ausdrückliche Zustimmung, also eine Frage: Machst du von diesem Recht Gebrauch oder nicht?, vorsehen; und nur wenn ausdrücklich die Zustimmung erteilt wird, dann tritt diese Straffung ein.

Kernstück der Auseinandersetzungen war zweifelsohne die Frage der Anrufung des Obersten Gerichtshofs. Sie wissen, daß der Oberste Gerichtshof seit längerem darauf hingewiesen hat, daß er bei der gegebenen Situation und bei der ständigen Anfallsteigerung seine Aufgabe nicht mehr im internationalen Vergleich nach wie vor relativ rasch erledigen kann und er sich daher eine Entlastung gewünscht hat. Nun haben die einen gemeint, das wäre durch eine personelle Aufstockung zu erreichen. Abgesehen von den Zeiten, in denen wir leben, muß man beachten, daß der Oberste Gerichtshof, gemessen an unserer Einwohnerzahl, was die personelle Ausstattung und Größe anlangt, zu den Größten überhaupt gehört. Andererseits haben Zivilprozeßrechtler gemeint, das erhöht nur die Anzahl der Senate, die dann wieder uneinheitlich entscheiden. Dieser Weg wurde also nicht beschritten.

Wenn – als Alternative hiezu – der Zugang zum Obersten Gericht beschränkt werden muß, so stellt sich die Frage, wie beschränkt man ihn. Wir sind nicht den Weg gegangen, der uns als Alternative zu unserem Modell genannt wurde, nämlich einer dramatischen Erhöhung der bisherigen 50 000 S-Grenze, bis zu der der Oberste Gerichtshof überhaupt nicht mehr angerufen werden kann. Es gab Vorschläge, die eine Unanrufbarkeit bis 150 000 S vorgesehen haben. –


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