Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 113

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Sie verkennen fünftens die vielfach belegte Tatsache, daß die Kinderkosten für viele Mehrkinderfamilien zum Armutsfaktor werden können und sehen eine wesentliche Benachteiligung der Familien ab dem zweiten Kind vor.

Sie sind sechstens bezüglich besonders einkommensschwacher Mehrkinderfamilien unpräzise, kompensieren nicht einmal die Streichung der Mehrkinderstaffel bei drei Kindern und gehen daher auch an der Umsetzung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vorbei und bringen keinerlei Effekt für die mittelständischen Mehrkinderfamilien.

Sie sehen siebtens keine angemessene steuerliche Berücksichtigung der auch laut Verfassungsgerichtshof mit dem Alter stark steigenden Kinderkosten vor und sichern diese für ältere Kinder nicht einmal nach dem Berechnungsmodus des Finanzministeriums selbst.

Sie gehen achtens ganz offensichtlich davon aus, daß für die Familien im Rahmen der nächsten Etappe der Steuerreform keine Entlastungen vorgenommen werden sollten.

Sie würden neuntens im Effekt und in Summe die Vorteile für die Familien degressiv nach der Kinderzahl staffeln, sodaß gerade auch im Jahre 1999 im klaren Widerspruch zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für manche Kinder gar keine Beträge vorgesehen wären.

Und sie würden zehntens den Familienlastenausgleichsfonds mit Mehrkosten von über 7 Milliarden Schilling für das Jahr 1999 und über 10 Milliarden Schilling für das Jahr 2000 belasten, wobei wir davon ausgehen, daß dies in Zukunft den Familien durch die Erhöhung der Familienbeihilfe gerecht werden sollte.

Ich kann davon ausgehen, daß für die Österreichische Volkspartei hier kein fauler Kompromiß eingegangen werden wird, daß wir auf jeden Fall eine verfassungskonforme Regelung wollen und daß wir den Familien nicht nur über eine Erhöhung der Familienbeihilfe helfen wollen, sondern auch dadurch, daß sie im Steuerrecht in Zukunft jene Beachtung finden, die diese Familien, die sehr viel für die Gesellschaft leisten, auch verdienen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Karl Drochter das Wort. – Bitte.

16.46

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Edlinger! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin meinen beiden Vorrednern sehr dankbar für ihre Wortmeldungen; in erster Linie Herrn Dr. Böhm, weil er doch sehr deutlich zu verstehen gegeben hat, daß, wenn überhaupt verfassungsmäßige Behinderungen vorliegen, diese nicht sehr schwerwiegend sind. Ich bin auch Herrn Kollegen Wilfing von der ÖVP sehr dankbar, weil er die Klientel sehr genau dargestellt hat, die er und die Österreichische Volkspartei vertreten. Er hat gemeint, daß er genauso wie die SPÖ und die Volkspartei für die Mehrkinderfamilien eintritt, er sich aber Sorgen über jene macht, die über große Autos und große Wohnungen verfügen. Die Schwerpunkte der SPÖ-Familienpolitik sind natürlich ganz andere; diese liegen bei jenen Personen, die über keine großen Autos, wenn überhaupt über Autos, und Wohnungen verfügen, und vor allem bei jenen Frauen, die Alleinfamilienerhalterinnen sind.

Aber grundsätzlich: Wie kaum ein anderes Thema wird die Familienpolitik in unserer Gesellschaft äußerst emotional diskutiert, da es sehr starke persönliche Betroffenheit gibt, die meistens im Vordergrund der Diskussion steht. Darüber hinaus handelt es sich um eine äußerst komplexe Materie, die die Widersprüche in unserer Gesellschaft – wir haben es vor wenigen Minuten von Herrn Kollegen Wilfing gehört – widerspiegelt. Folgendes muß uns aber allen bewußt sein: Der Wunsch nach Familie steht nach wie vor ganz oben auf der Prioritätenliste der Leute. Der Wunsch nach Geborgenheit, Schutz, Solidarität und Akzeptiert-Werden liegt im Wesen des Menschen. Die Politik hat die Aufgabe, diesen Anliegen Rechnung zu tragen. Sie kann aber nicht alle Wüsche erfüllen; auch das muß uns politisch Verantwortlichen klar sein. Sie muß aber sehr wohl die Rahmenbedingungen dafür festmachen, die auch im finanziellen Bereich liegen.


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