Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 19

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860/M-BR/98

Welche besonderen Anliegen und Bedingungen wird Österreich bezüglich des Verhandlungsmandates für die Europäische Kommission mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten einbringen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Bundesrätin! Ich habe das schon ein bißchen vorweggenommen, unbeabsichtigt, aber ich wiederhole es gerne ganz kurz.

Wir haben von den Sozialpartnern, aber auch aus eigenem Antrieb eine ganze Liste von österreichischen Vorschlägen zusammengestellt, und diese sind bisher zur Gänze sowohl bei den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates in Luxemburg als auch von der Erweiterungsgruppe angenommen worden. Die soziale und wirtschaftliche Konvergenz, die Beschäftigungsfrage, das angestrebte hohe Niveau der atomaren Sicherheit und der Umwelt, die Förderung der Grenzregionen, Übergangsfristen sind also ausdrücklich im Verhandlungsmandat der Union bereits erwähnt. Das ist durchaus auf unserer Linie.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Im besonderen interessiert mich, welcher Forderungskatalog im Hinblick auf Sicherheit der veralteten Atomkraftwerke mit den beitrittswilligen MOEL-Staaten verhandelt wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es kann natürlich nur der Acquis, also der Rechtsbestand der Union, verlangt werden, und der verlangt höchste Sicherheit. Wir wollen natürlich mehr, wir wollen, wenn es irgendwie geht, die Atomkraftwerke überhaupt wegbekommen. Aber in den Verhandlungen muß sichergestellt werden – das findet sich auch im Kommissionspapier und wird in der Rats-Arbeitsgruppe voll akzeptiert –, daß die Atomkraftwerke, sofern sie nicht zugesperrt werden können, den höchstmöglichen Stand westlicher Technik haben müssen. Und jene Kernkraftwerke, bei denen dies nicht erreicht werden kann – das wird auch in den Positionen der Europäischen Union verlangt –, müssen zugesperrt werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke, Herr Bundesminister.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Im Amsterdamer Abkommen wurde unter anderem Artikel f novelliert. Die Beachtung der Menschenrechte ist also Rechtsbestand der EU, wie auch die Menschenrechtskonvention Rechtsbestand der einzelnen Beitrittsländer ist. Es ist auch ein entsprechender Sanktionsmechanismus zur Durchsetzung derselben vorgesehen. Wird dieser Sanktionsmechanismus auch bei den osteuropäischen Beitrittskandidaten Platz greifen? Ich meine speziell die Beneš-Dekrete. Und sehen Sie die Beneš-Dekrete als menschenrechtswidrig und menschenrechtsverletzend an?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das sind jetzt drei Zusatzfragen, aber ich kann gerne einmal auf die erste antworten. Der Amsterdamer Vertrag, wie Sie sicherlich wissen, ist nicht einmal noch ratifiziert. Wir werden ihn hoffentlich im März dem Parlament zuleiten – das habe ich jedenfalls diese Woche im Ministerrat klarzustellen versucht –, damit wir ihn möglichst noch vor der Übernahme des Vorsitzes in der Europäischen Union ratifizieren, und selbstverständlich wird dieser Amsterdamer Vertrag anzuwenden sein.


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