Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 49

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Erstens: nicht zwingend notwendige Erhebung einzelner Bestimmungen in den Verfassungsrang. Grundsätzlich sind Änderungen des Vertrages, des Protokolls und der Anlagen von einer eigenen Änderungskonferenz zu behandeln. Solche Änderungen werden durch die Vertragsstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren ratifiziert. Das heißt Befassung des Nationalrates und in der Folge auch des Bundesrates gemäß Artikel 50 B-VG. Allerdings bestehen besondere Vorschriften für die Teile 1 und 3 des Protokolls und die Anlagen 1 und 2 zum Protokoll, soweit sich Modifikationen auf verwaltungsmäßige und technische Vorschriften beziehen. Diese unterliegen einem einfacheren Änderungsverfahren. Deshalb ist vorgesehen, Artikel VII Abs. 8 lit. d und e, der unter anderem das einfachere Änderungsverfahren normiert, in den Verfassungsrang zu heben. Damit entfällt die Pflicht, diesbezüglich hinkünftig den Nationalrat und den Bundesrat zu befassen.

Die in den Ausschußbericht aufgenommene Ausschußfeststellung, wonach der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten den Außenpolitischen Ausschuß des Nationalrates über verwaltungsmäßige oder technische Änderungen in Kenntnis setzen wird, ändert nichts an der Tatsache, daß durch die vorgesehenen verfassungsändernden Bestimmungen nicht nur das österreichische Verfassungsrecht weiter zersplittert wird, sondern vielmehr die Rechte des Parlamentes zusätzlich beschnitten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Abgesehen davon vertreten wir freiheitlichen Bundesräte die Auffassung, daß die vorgesehene 90-Tage-Frist – Herr Kollege Meier ist schon darauf eingegangen – bei gutem Willen der Exekutive durchaus ausreichend wäre, das verfassungsmäßige Procedere auch einzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotz des Verständnisses für ein rasches und einfacheres Änderungsverfahren auch auf internationaler Ebene sind jedoch die Interessen des Parlaments und die Einhaltung der verfassungsmäßigen Vorgangsweise von größter Bedeutung, weshalb eine Erhebung der Bestimmungen des Artikels VII Abs. 8 lit. d und e in den Verfassungsrang nicht notwendig ist. Wir lehnen das heute ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der zweite Bereich, meine Damen und Herren, enthält die Bezeichnungspflicht gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG. Da laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage die Bestimmungen des Artikels VII Abs. 8 d und e nunmehr verfassungsändernde beziehungsweise verfassungsergänzende Bestimmungen darstellen, bedürfen sie daher einer Behandlung gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG. In einem nach Artikel 50 Abs. 1 B-VG gefaßten Genehmigungsbeschluß sind solche Staatsverträge oder solche in Staatsverträgen enthaltenen Bestimmungen ausdrücklich als verfassungsändernd zu bezeichnen.

Da eine derartige Bezeichnung logischerweise dem Abkommen selbst nicht zu entnehmen ist, sondern durch die gewählte Vorgangsweise lediglich den Erläuterungen der Regierungsvorlage, hätte der Ausschuß des Nationalrates einen Beschluß fassen müssen, in dem er dem Nationalrat nicht nur die Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages empfiehlt, sondern der Ausschuß hätte in seinem Beschluß ausdrücklich darauf verweisen müssen, daß es sich bei den Bestimmungen des Artikels VII Abs. 8 d und e nunmehr um verfassungsändernde beziehungsweise verfassungsergänzende Bestimmungen handelt. Meine Damen und Herren! Ein solcher Beschluß wurde aber im Außenpolitischen Ausschuß des Nationalrates nicht gefaßt.

Diese Unterlassung kann auch nicht dadurch saniert werden, daß sich nunmehr im Antrag des Ausschusses an den Nationalrat ein Hinweis auf verfassungsändernde Bestimmungen findet. Aus Sicht der freiheitlichen Abgeordneten gab daher der Ausschußbericht die Beschlußlage des Ausschusses unzureichend wieder, wie dem beigeschlossenen Minderheitsbericht der freiheitlichen Nationalräte auch zu entnehmen war. Der Mangel des Ausschußbeschlusses führte dazu, daß auch der Beschluß des Nationalrates über den Antrag des Ausschusses mangelhaft war und sich daraus letztlich ein verfassungswidriges Zustandekommen des Beschlusses des Nationalrates ergeben hat. An dieser Beschlußlage ändert auch der ÖVP-Antrag, der heute eingebracht wird, nach unserem Dafürhalten nichts.


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