Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 134

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Im Strafprozeß sollte von den bereits seit 1994 zugelassenen Videovernehmungen verstärkt Gebrauch gemacht werden können, um das Opfer nicht der Konfrontation mit dem Täter, der vielfach aus dem Familienbereich kommt, auszusetzen. Von einer schonenden Vernehmung in kindergerechten Sälen war auch bereits die Rede.

Wünschenswert wäre – wenngleich ich mir der Finanzierungsprobleme sehr wohl bewußt bin – die Einführung einer rechtskundigen Prozeßbegleitung für Kinder sowie die Etablierung eines Opfer- beziehungsweise Kinderanwalts. Geboten erscheint auch die Therapie und die Nachbetreuung der Opfer. Die Angehörigen sollten gegebenenfalls in die Therapie einbezogen werden.

Im Bereich des Medienrechts orte ich ebenfalls Defizite: Ich meine auch, daß das mißbrauchte oder mißhandelte Kind eines besseren Schutzes bedarf. Es reicht nämlich unseres Erachtens nicht aus, nur die Familiennamen der Opfer in der Berichterstattung zu verkürzen. Es sollten auch das Familienleben und das soziale Umfeld nicht in einer die Identität des Opfers preisgebenden Weise dargestellt werden dürfen.

Lassen Sie mich zum Resümee kommen. Die erschütternde Zahl der Fälle sexuellen Mißbrauchs von Kindern – jeder einzelne ist freilich schon zu viel –, die hohe Rückfallsquote bei diesen Delikten und die allzu milde Praxis der Strafgerichte machen deutlich, welch enormer Handlungsbedarf für die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien hier besteht. Wir fordern Sie daher auf: Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach, diesen gravierenden gesellschaftlichen Mißstand nach Kräften wenn schon nicht abzustellen – das wäre Utopie –, so doch erheblich einzudämmen. Andernfalls entstünde in der Bevölkerung tatsächlich der prekäre Eindruck, daß dem Gesetzgeber der Opferschutz nicht dasselbe Anliegen ist wie die laufende Verfeinerung der Rechtsstellung des Rechtsbrechers. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer das Wort. – Bitte.

18.12

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann den Schlußsätzen meines verehrten Kollegen Dr. Böhm zustimmen. Wenn aus den Gründen, die hier angeführt worden sind, wir uns der Problematik und der Thematik der Sexualstraftatbestände, die sich in den letzten Wochen und Monaten aufgetan hat, in einer Diskussion widmen, so sind wir völlig d’accord. Ich bin aber nicht der Meinung, daß die Worte, die zur Begründung dieser dringlichen Anfrage von der Antragstellerin gefallen sind und auch in der schriftlichen dringlichen Anfrage am Beginn genannt werden – es wird von Aufweichung des Strafrechtes in den letzten Jahren, Entkriminalisierung strafbarer Handlungen und einigem mehr gesprochen –, berechtigt sind. Der Herr Bundesminister hat die Vorwürfe ohnehin zurückgewiesen.

Meine Damen und Herren! Ich habe beim Lesen dieser dringlichen Anfrage den Eindruck gewonnen, daß gewisse eigenartige Maßstäbe angelegt worden sind bei der Frage, was in dieser Thematik bedeutend ist und was nicht. Und ich habe den Eindruck gewonnen, daß alle Maßnahmen – vor allem im Drogenbereich –, die zu einer verbesserten Resozialisierung und Reintegration von Straftätern dienen, eher als schlecht gedeutet werden. Das heißt unter anderem, daß die Anfragesteller offenbar eher dazu neigen, Jugendliche einzusperren, als sie einer Drogentherapie zu unterziehen. – Ich glaube nicht, daß das der geeignete Weg ist. Im übrigen kann man das neue Suchtmittelgesetz eigentlich mit dem Suchtgiftgesetz, seinem Vorgänger, vergleichen. Und wenn man es richtig vergleicht, kann man feststellen, daß es schon vorher eine bedingte Anzeigezurücklegung und einen Aufschub des Strafvollzugs gegeben hat.

Das Hohe Haus hat nicht, wie Sie, meine Damen und Herren Anfragesteller, ständig behaupten, das Suchtmittelgesetz liberalisiert. Die Neufassung dieses Gesetzes hat vielmehr dazu gedient, daß Österreich internationale Konventionen, insbesondere die Psychotropenkonvention und die Wiener UN-Suchtgiftkonvention, ratifizieren konnte. Daß dies zu einer Verschärfung im Bereich des Suchtmittelmißbrauchs beigetragen hat, verschweigen Sie aber lieber.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite