Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 151

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Herr Staatssekretär! Wenn Sie sagen, das Bundeskanzleramt wird derzeit keinen Einfluß auf Ankäufe ausüben oder es wird nichts angekauft – das steht in Ihrer Aussendung –, dann zweifle ich daran, denn möglicherweise kaufen Museen, die Ihnen unterstehen, etwas an (Staatssekretär Dr. Wittmann: Sie unterstehen mir nicht!) , möglicherweise kaufen Einrichtungen, die Ihnen unterstehen, etwas an. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Die Museen unterstehen mir nicht!) Sie üben nur Ihren Einfluß nicht aus! Ein Staatssekretär, meine Damen und Herren, der seinen Einfluß nicht ausübt, ist obsolet. Schaffen wir ihn ab! Ein Wittmann schafft sich selbst ab, weil er nicht Einfluß nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wenn es stimmt, daß das Bundeskanzleramt keine Ankäufe vornimmt und nicht vorhat, das zu tun, dann kann ich nur sagen: Hoffentlich tun das auch die Privaten nicht! Damit meine ich, der Fall Mühl gehört auf die Müllhalde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Himmer. – Bitte.

19.30

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir haben gerade bei der vorherigen Debatte und in den letzten Monaten immer wieder über den sexuellen Mißbrauch von Kindern diskutiert, und ich glaube, wir alle waren empört, wir alle waren betroffen.

Vor diesem Hintergrund, meine ich, muß man kein prüder Kleinbürger sein, wenn man mit Verständnislosigkeit das Wohlwollen einiger betrachtet, mit dem sie dem Straftäter Otto Mühl gegenübertreten. Otto Mühl ist ein Verbrecher, der zwar seine Haftstrafe abgebüßt hat, sich aber in keiner Weise von seinen widerlichen Vergewaltigungen und Kinderschändungen distanziert hat. (Beifall bei ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ich möchte an dieser Stelle einen Unverdächtigen zitieren, nämlich Herrn Professor Ernst Hanisch, der als anerkannter Historiker über die Zeit, in der Otto Mühl bekannt wurde, folgendes schreibt: "Das Umschlagen des Wiener Aktionismus in ein faschistisches Modell, das Robert Musil bereits vor dem Ersten Weltkrieg exemplarisch analysiert hatte, läßt sich am Beispiel Otto Mühl nochmals aufzeigen. Dieser ehemalige Mittelschullehrer, der bei den ersten Veranstaltungen der Wiener Aktionisten führend mitmachte, sich dann eine eigenwillige Psychologie zurechtbastelte, gründete die Aktionsanalysekommune, eine Art Sexkloster mit dem Gründer als Abt, die zwischen 1971 und 1991 ungefähr 2 000 Menschen anzog.

Das Feindbild hieß – dem Zug der Zeit folgend –: sexuelle Zweierbeziehung, Kleinfamilie. Der Traum nährte sich von der Freisetzung der Sexualität, die nicht nur durch die Schranken des Privateigentums oder stabiler Partnerbeziehungen behindert sein sollte. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg habe die individuelle Vision der befreiten Sinne bei Gustav Klimt zur Angst des Mannes vor dem Weibe geführt.

Das kollektive Experiment der Mühl-Kommune endete in der Diktatur. Die freie Sexualität wurde durch einen genauen Sexplan reglementiert. Die Folgen waren häufige Impotenzfälle. Der Traum einer absoluten Selbstbestimmung schuf neue, harte Hierarchien, die vom Sektenführer Mühl völlig abhängig waren. Die Negation des Privateigentums wandelte sich in den Ausbau eines Geschäftsimperiums, die freie antiautoritäre Erziehung griff rasch zur traditionellen Watschen als Disziplinierungsmittel. Wie eine ehemalige sogenannte ,Erste Frau‘ trauernd konstatierte: ,Wir, die wir anfänglich gegen die autoritäre Vatergesellschaft protestierten, endeten mit einem faschistischen Erziehungsideal.‘"

Ich möchte das an dieser Stelle sagen, weil ich gerade der Geschichte der Sozialdemokratie nicht ohne Respekt gegenüberstehe, und ich frage mich, wie die Kollegen der Sozialdemokratie damit umgehen, daß hier ein faschistisches Erziehungsideal zugrunde liegt, und wie sehr man das dann noch unter "Freiheit der Kunst" zu subsumieren bereit ist.


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