Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 98

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Weiters heißt es: Die Folgen sollen sein, daß sich die Bilanzen der Kleinfirmen mit etwa fünf bis 20 Mitarbeitern erheblich verschlechtern werden. Es wird davon gesprochen, daß bereits jetzt eine gnadenlose Konkurrenz mit den Mitanbietern jenseits der Grenze vorherrsche. Jetzt aber, mit der Öffnung der Grenzen, seien alle wirtschaftlichen Reserven erschöpft. Ein weiterer Preissturz gehe an die Substanz, sagte einer der Firmenchefs, dessen Frau und Sohn selbstverständlich auch in seinem Betrieb mitarbeiten.

"Wenn die Hemmschwelle – so wird dort von unabhängigen Wirtschaftstreibenden argumentiert – der Grenze und der unterschiedlichen Währungen einmal wegfällt, dann haben wir keine Chance mehr", meinte einer von ihnen. Ein Drittel des Jahresumsatzes werde "sofort wegbrechen", der Marktzugang zu den meisten Baumaschinenherstellern werde versperrt, ein Gutteil der 38 Arbeitsplätze, die dieser Arbeitgeber zur Verfügung stellt, sei gefährdet. Ein Frächter spricht davon, daß er mit 15 S pro Kilometer kalkuliere, die slowenischen Mitbewerber aber mit 4 S.

Im Stich gelassen fühlen sich diese Unternehmen von der Politik, von der eigenen Interessenvertretung, von den österreichischen Verhandlern in Brüssel, und sie haben Angst davor, daß man – wie schon beim EU-Beitritt 1995 im Subventionen-Poker – als Wirtschaftsunternehmer den kürzeren ziehen werde. Und vor allem sei das wichtigste ein zeitliches Hinauszögern der Osterweiterung, bis sich die Lohnniveaus einigermaßen angeglichen haben.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau darum muß es uns gehen. Wir müssen die Tatsache akzeptieren, daß keines dieser Beitrittskandidatenländer zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nur eines der Kriterien, die von Ihnen in der Beantwortung angeführt worden sind, erfüllt. Sie haben nur für die Zukunft eine Utopie skizzieren können, die nicht der Realität – siehe Bericht dieser Wirtschaftstreibenden in kleinen und mittleren Unternehmen der Südsteiermark – entsprechen.

Wir müssen konsequent verlangen, daß diese Staaten ein stabiles institutionelles Gefüge sowie eine Garantie der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes erreichen. Wir müssen darauf Bedacht nehmen, daß in diesen Ländern eine funktionierende Marktwirtschaft existiert (Bundesrat Kone#ny: Ja, richtig!) und insbesondere die Fähigkeit, mit den Wettbewerbsbedingungen und den Marktkräften innerhalb der Union zurechtzukommen. Die Fähigkeit, die Pflichten aus der Mitgliedschaft einschließlich des Festhaltens an den Zielen der Politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion mitzuübernehmen, nicht nur Nettoempfänger zu sein, sondern in absehbarer Zeit auch einen Beitrag für die Europäische Union leisten zu können, muß verlangt werden. Aber noch sind sämtliche Beitrittskandidaten auf Jahre hinaus künftige Nettoempfänger.

Faktum ist – das können Sie nicht abstreiten –, daß wir nach wie vor bei diesen Beitrittsländern mit einem niedrigeren Pro-Kopf-Einkommen konfrontiert sind. Berechnungen, zum Beispiel der Arbeiterkammer, zeigen, daß unter günstigsten Annahmen, nämlich bei einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 6 Prozent in diesen mittel- und osteuropäischen Ländern und 2 Prozent in Österreich, die beitrittswilligen Staaten erst in mehr als 30 Jahren die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf erreicht haben werden.

Das große Gewicht, das die Landwirtschaft in diesen Ländern hat, ist ein Problem. Die Agrarquote beträgt dort 22 Prozent, im EU-Durchschnitt 5 Prozent. Daß es deshalb zu gravierenden Strukturänderungen innerhalb der Agrarförderung der Union kommen muß, ist eine klare Sache, aber es darf dabei nicht mit Ankündigungen der zuständigen Kommissare sein Bewenden haben, sondern wir müssen auch in der Realität Ergebnisse sehen und erleben können.

Über die unzulänglichen Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastrukturen in diesen Ländern und die großen Probleme im Umweltbereich – Wasser, Luft, Atomkraftwerke – wurde heute schon debattiert. Die großen Rückstände im Bereich Justiz und Inneres, insbesondere beim Kampf gegen illegale Einwanderung, das organisierte Verbrechen, den Terrorismus, Drogen und Korruption, sowie die schwachen Verwaltungskapazitäten, die diese Staaten aufweisen, und die hohe Arbeitslosigkeit im gesamten Gebiet der Europäischen Union, die jetzt schon ein


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite