Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 76

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Es haben sich bedeutende Leute den Kopf darüber zerbrochen und festgestellt, auch Kollege Meier, daß vieles nicht erklärbar ist von dem, was in diesem Vertrag steht. Auch der bayrische Ministerpräsident Stoiber hat gesagt, es sei vieles nicht erklärbar. Und da so vieles nicht erklärbar ist, sind wir der Meinung, wir können jetzt nicht mit gutem Gewissen unterzeichnen, nicht gut zustimmen. Können Sie jemandem, dem Sie etwas nicht erklären können, sagen: Aber jetzt unterschreib mir das, bitte!? – Nein, Herr Kollege, Sie würden es auch nicht machen. (Bundesrat Meier: Und Sie können dem Bürger alles erklären?!)

Nein, ich bin es nicht in der Lage! Aber wenn nicht einmal der Herr Stoiber aus Bayern das kann, dann kann das doch nicht für den Vertrag sprechen. Ich will Stoiber nicht als Deus ex machina darstellen, er ist durchaus ein prominenter Politiker, mit dem wir nicht so viel gemein haben, aber er sagte auch, daß es so kompliziert formuliert sei, daß sich der tatsächliche Inhalt nur Fachjuristen erschließe.

Das trage dazu bei, daß sich auch Landesregierungen nicht über ihre Inhalte und die Konsequenzen dieser Verträge im klaren seien.

Meine Damen und Herren! Sehen Sie, wenn man das sagt und sei es nur, daß ein Teilbereich daraus stimmt, sich nur ein Alzerl dieses ganzen Vertragswerkes nicht ergründen und erschließen läßt, ist es Aufgabe verantwortungsbewußter Volksvertreter, diesem Vertragswerk die Zustimmung zu verweigern – nicht deswegen, weil wir meinen, es sei das absolut Schlechte, nein!, sondern deshalb, weil wir nicht alles erklären können.

Ich nehme für mich in Anspruch, es nicht total erklären zu können, und weiß, daß es andere auch nicht können. Das ist doch ein wesentlicher Punkt!

Ein wesentlicher Punkt für uns ist natürlich auch Artikel 63, ehemals Artikel 73k, der die Zuständigkeit für die Zuwanderungs- und Ausländerpolitik den nationalen Regierungen abnimmt und auf die Europäische Kommission überträgt.

Meine Damen und Herren! Das ist unannehmbar! Es ist unannehmbar, daß die Masse der Einwanderer, die zu uns nach Österreich kommen – etwa aus historischen Gründen oder weil schon einige hier sind –, jetzt ihren Familiennachzug dadurch bewältigen, daß Brüssel sagt: Ihr dürft herein!, und wir Wiener, wir Österreicher nichts mehr dagegen tun können. Das ist für mich wirklich uneinsichtig, und ich kann dem nicht zustimmen. Mich wundert, daß Sie, meine Damen und Herren, dem zustimmen können! (Ruf bei der ÖVP: Wir haben nicht das Problem, daß wir auserwählt sind!)

Sie haben keine Probleme, das weiß ich eh! Ich freue mich, daß Sie problemlos sind, nicht wahr, Herr Kollege!

Wir haben nicht mehr das Recht, den Ausländerzustrom zu regeln und die Bedingungen dafür festzulegen. Das alles ist nach Brüssel abgeschoben.

Wie sieht es mit der Arbeitserlaubnis aus? – Wer sich als Selbständiger oder Unselbständiger niederlassen darf, wird in Brüssel entschieden.

Auch die Entscheidungen, die die Familienzusammenführung gewisser Zuwanderungspersonengruppen betreffen, werden nicht mehr von der Wiener Regierung gefällt. Ich halte das für nicht sehr gut! Ich halte das für so nicht gut, daß ich dem nicht zustimmen kann.

Ein weiterer Punkt: die "Agenda 2000". Sie hängt damit auch zusammen. Wesentliche Rechte werden an die EU abgetreten, ohne daß dies öffentlich bekannt ist. Hier ist es jetzt öffentlich bekannt!

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen folgendes: Es wird die Strukturpolitik nicht mehr von nationalen Regierungen bestimmt, denn sie darf nicht mehr von nationalen Regierungen bestimmt werden – nicht deshalb, weil sie es selbständig, aus eigenen Mitteln nicht könnte, sondern deswegen, weil sie es einfach nicht mehr darf!


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