Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 116

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Wir sagen: Wir wollen die Atomkraft nicht in unserem Land, wir wollen auch keine Verstrahlung in unserem Land! – Aber die Sicherheit der Nichtverstrahlung ist nur dann gegeben, wenn wir diesen Ländern, die wir nicht daran hindern können, Atomkraft einzusetzen, den höchstmöglichen technischen Standard ermöglichen und uns nicht querlegen.

Da diese Vorgaben nicht möglich sind, funktioniert eben das Vertragswerk mit Tschechien nicht. Wir meinen, es ist wichtig, mit den beiden Nachbarstaaten das Vertragswerk abzuschließen, besonders mit Slowenien; dort ist das Kraftwerk ganz nahe an der österreichischen Staatsgrenze. (Bundesrat Dr. Tremmel: 70 Kilometer Luftlinie nach Graz!) Wie viele Kilometer, Herr Kollege? (Bundesrat Dr. Tremmel : 70 Kilometer Luftlinie!) Ein paar Kilometer Luftlinie, genau. Die Ukraine betrifft das natürlich auch. Die Strahlung kennt keine Grenzen!

Die Inhalte des Abkommens sind mit Leben und Seele zu erfüllen. In diesem Sinne stimmen wir dem Vertragswerk zu und hoffen, daß die Bundesregierung nicht immer nur nach Brüssel schaut, sondern auch zu den Nachbarstaaten Ukraine und Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tremmel. – Bitte.

16.38

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Ich würde einen Kropf bekommen, wenn ich mich jetzt nicht zu diesem Thema zu Wort melden würde.

Österreich hat auf die Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung verzichtet und tritt auch international dafür ein, daß möglichst weltweit, aber vor allem in Mitteleuropa auf die Energiegewinnung aus Kernspaltung verzichtet wird. Da dieses Ziel in absehbarer Zeit nicht erreicht werden dürfte, hat sich Österreich vor den von der Kernspaltung ausgehenden Gefahren bestmöglich zu schützen. – Deswegen diese Vorlagen.

Es ist ein gutgemeintes Gesetz, aber formaljuridisch gesehen eine typische Lex imperfecta. Wir schreiben in das Gesetz etwas hinein – nur wie man das Ganze exekutieren soll, ist die Frage. Da gibt es dann Artikel 10 im Abkommen mit der Ukraine und Artikel 8 im Abkommen mit Slowenien, wonach entweder Koordinatoren eingesetzt oder Kontakte gepflogen werden. Was ist aber, wenn diese Kontakte nicht gepflogen werden? Was ist, wenn diese Koordinatoren nicht tätig werden? – Da haben wir sicherlich ein Minus. Das Strahlenfrühwarnsystem, an das hier gedacht ist, könnte vielleicht nicht funktionieren. – Aber das ist nicht allein der Grund dafür, daß ich mich zu Wort gemeldet habe.

Tschernobyl wurde von meinen Vorrednern schon erwähnt. Ich fürchte – ich hoffe, ich bleibe mit meinen Befürchtungen allein –, daß mit diesen Vorlagen auf die Opfer von Tschernobyl, die in die Hunderttausende gehen – Tausende haben auch in Österreich bereits ihr Leben gelassen –, vergessen wird. Ich habe weiters das Gefühl, daß die Atomlobby dieses Gesetz erlaubt hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe die Befürchtung – und ich spreche es aus –, daß diese Vorlage als Vorwand dienen könnte, daß die Atomstromproduktion eine europäische Selbstverständlichkeit wird. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Das sind die Bedenken, die ich persönlich habe.

Ich kann nur anregen, daß man hier einen Kontrollmechanismus schafft und – wir haben in Wien den Sitz der Atomenergiebehörde – die Atomenergiebehörde quasi ermächtigt, eine Betriebsbewilligung für die einzelnen tickenden Bomben zu geben.

Was ist, wenn ein Reaktor "durchgeht"? – 70 Kilometer ist Krško von Graz entfernt, 180 Kilometer ist Mochovce von Wien entfernt. Was ist, wenn heute eine internationale Bande zum Zweck einer Erpressung – so etwas passiert nicht nur in James-Bond-Filmen – ein Kernkraftwerk kapert, die Graphitstäbe herauszieht und der Reaktor "durchgeht"? – Ganz Europa ist auf diese Weise erpreßbar.


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