Ich darf Ihnen also mitteilen, daß der Klubobmann Ihres Koalitionspartners Ihren Bundeskanzler nicht mehr ernstnimmt.
Der Herr Landesverteidigungsminister hat darauf reagiert, indem er sagte: Ein NATO-Beitritt wäre im Interesse von Sicherheit und Stabilität. Wer das nicht erkennt, betreibt Realitätsverweigerung. – Ich darf Ihnen also mitteilen, daß der Verteidigungsminister dieser Regierung glaubt, daß der Regierungschef Realitätsverweigerung betreibt.
Der Klubobmann der Nationalratsfraktion hat darauf natürlich repliziert, indem er klar sagte, daß bei Neutralitätsverletzung eine Ministeranklage möglich sei.
Ich darf Ihnen also sagen, meine Damen und Herren: Ihr Koalitionspartner stellt in Aussicht, daß gegen Mitglieder Ihrer Partei in der Bundesregierung eine Ministeranklage folgen wird, wenn Sie Ihre Politik nicht ändern.
Meine Damen und Herren! Gerade in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zeigt diese Bundesregierung nach wie vor ein Bild des Jammers. Ich darf Ihnen, wie wir das schon sehr oft getan haben, neben vielen anderen Artikeln, die jetzt im Amsterdamer Vertrag erneut bekräftigt worden sind, noch einmal Artikel J.7 in Erinnerung rufen:
Darin heißt es unter (1): "Die Westeuropäische Union (WEU) ist integraler Bestandteil der Entwicklung der Union; sie eröffnet der Union den Zugang zu einer operativen Kapazität ..."
Dann heißt es weiter unten: "Die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wird in einer von den Mitgliedstaaten als angemessen erachteten Weise durch eine rüstungspolitische Zusammenarbeit zwischen ihnen unterstützt."
Unter (2) heißt es: "Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen werden, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein."
Meine Damen und Herren! Damit bin ich bei der zweiten Vorlage, die Sie heute beschließen werden, angelangt. Mit dem Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, das wir als zweiten Tagesordnungspunkt heute behandeln, werden Sie eine Stärkung der sicherheitspolitischen Dimension der Europäischen Union beschließen. Die Union wird nunmehr, so heißt es in der Vorlage, auch in der Lage sein, die Westeuropäische Union für die Durchführung von sogenannten Petersberg-Aufgaben – das sind humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen – in Anspruch zu nehmen. Mit dieser Änderung ist klargestellt, daß Österreich nicht nur an Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf der Grundlage des Maastricht Vertrages teilnehmen kann, sondern auch im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähig bleibt.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute dieses Bundesverfassungsgesetz beschließen werden, dann heben Sie damit gleichzeitig das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs auf. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Sie können nicht beides haben: Sie können nicht heiß und kalt haben, Sie können nicht ein bißchen tot oder ein bißchen schwanger sein. Und kommen Sie in Ihrer Argumentation nicht mit der Antwort, daß es bei all diesen Maßnahmen eine konstruktive Enthaltung gäbe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Der Charakter der immerwährenden Neutralität ist eben der, daß es keine Alternative geben kann. Ein Staat, der immerwährend neutral ist, darf sich nicht darüber unterhalten können, ob er neutral ist oder nicht, sondern ist es immerwährend! Das heißt also, daß auch die konstruktive Enthaltung, die wir haben, ein Beweis dafür ist, daß wir in einem allfälligen Konfliktfall die Wahlmöglichkeit für uns herausnehmen, und wer die Wahlmöglichkeit im Konfliktfall hat, der ist nicht mehr immerwährend neutral; das kann Ihnen ein Völkerrechtsstudent im ersten Semester erklären. (Ruf bei der ÖVP: Warum machen es dann Sie?)
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