Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 31

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Royal Institut of International Affairs sowie der Keele University, waren Subsidiarität und Bürgernähe zentrales Thema.

Sowohl unser Außenminister Schüssel als auch der britische Außenminister Cook bekannten sich in ihren Einleitungsreferaten zu diesem Prinzip, wonach die Aufgaben zunächst auf der jeweils bürgernächsten Ebene gelöst werden sollten und nur jene Aufgaben auf höherer Ebene geregelt werden sollten, für die eine solche Behandlung notwendig ist.

Es freut mich besonders, daß dieses Prinzip zuletzt in Cardiff mit dem Titel "Bürgernähe" langsam verständlich gemacht wurde, zumal es sich bei der von mir erwähnten Konferenz in London einmal mehr zeigte, daß es im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip und vor allem mit dem Begriff Föderalismus noch immer krasse Mißverständnisse gibt.

Bei der Konferenz in London, bei der ich die Ehre hatte, dem Arbeitskreis über Regionalismus und Bürgerbeteiligung vorzusitzen, konnte ich dies selbst feststellen. Wir haben uns dort sehr bemüht – vor allem bei unseren britischen Freunden –, gewisse Mißverständnisse auszuräumen, denn man darf nicht vergessen, daß das Wort "federal" bei einem Briten Assoziationen weckt, die eher in Richtung – Sie werden es nicht glauben! – "Brüsseler Zentralmacht" gehen. Und wie wir alle wissen, ist es nicht leicht, einmal festgefahrene Meinungen zu ändern.

Meine Damen und Herren! Bekennen wir uns doch dazu, im Sinne der Subsidiarität die Aufgaben so zu erfüllen, daß es zur Zufriedenheit der direkt betroffenen Bürger geschieht.

Das heißt, daß Probleme auf jener Ebene zu erörtern sind, die in bezug auf die Aufgabenstellung die sinnvollste ist. Das reicht von der kommunalen über die regionale, die nationale Ebene bis zur EU-Ebene, wie heute bereits angedeutet wurde.

Nebenbei gesagt: Es ist dies genau das Prinzip der Verwaltung in den USA. Schon während meines Studienaufenthaltes im Staate Maine nach dem Zweiten Weltkrieg konnte ich hautnah miterleben, wie ein Fahrplan ausgestaltet ist, der regelt, was Aufgaben der Gemeinden, der Bezirke, einzelner Bundesstaaten und was föderale Aufgaben sind.

Dies, meine Damen und Herren, wird besonders unterstützt durch das Zwei-Kammern-System, im House of Representatives einerseits, das die Bevölkerung vertritt, und im Senat andererseits, in dem alle Bundesstaaten gleichberechtigt ihre Anliegen zu vertreten haben.

Mir ist völlig klar, daß die EU derzeit eine Einrichtung sui generis und kein Bundesstaat ist. An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, daß wir meiner Ansicht nach zu gegebener Zeit definieren müssen, was wir, die EU, eigentlich sind beziehungsweise was wir sein wollen. Diesbezüglich mutige Äußerungen der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner haben mich echt aufhorchen lassen. Winston Churchill hat 1946 in seiner legendären Rede an der ETH in Zürich von den Vereinigten Staaten Europas gesprochen. Dafür, meine Damen und Herren, ist sicherlich die Zeit noch nicht reif, aber ich meine, daß Erfahrungen, die man in puncto Institutionen in Staaten wie der Schweiz oder den USA gemacht hat, durchaus Gegenstand intensiver Betrachtungen sein könnten.

Beim Stichwort Schweiz möchte ich noch folgendes festhalten: An diesem Beispiel sieht man, wie ein Zusammenleben verschiedener Kulturkreise innerhalb von Staatsgrenzen funktionieren kann und daß eine einheitliche Sprache keineswegs Bedingung dafür ist.

Meine Damen und Herren! Als begeisterter Europäer wünsche ich mir ein derartiges Zusammenleben auch innerhalb der EU. Damit meine ich die Wahrung der verschiedenen kulturellen Identitäten, die letztlich den Reiz Europas ausmachen, bei einem gleichzeitigen Zusammengehörigkeitsgefühl, nicht zuletzt, was die Lösung anstehender Probleme betrifft.

Damit möchte ich schon zum Ende meiner Ausführungen kommen. Die Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam ist zweifellos ein sehr wesentlicher Schritt zum europäischen Einigungswerk, das Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent zum Ziel hat. In diesem Sinne wird


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