Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 122

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Es ließe sich zu diesem Thema noch sehr viel Grundsätzliches, aber auch Beispielhaftes darlegen. In Anbetracht der mir vorgegebenen Redezeit möchte ich mich auf eine Äußerung in einem Rechtsgutachten von Herrn Universitätsprofessor Dr. Berka beschränken.

Professor Berka verweist darauf, daß unter dem Gesichtspunkt der religiösen Toleranz der Staat insgesamt kein sektenfeindliches Klima schaffen darf. Dem Staat obliegt Neutralitätspflicht. Die Konsequenz daraus ist, daß der Staat Religionen oder Weltanschauungen nicht, gestützt auf seine Autorität, als richtig oder falsch bewerten darf. Sehr wohl, so Berka, dürfe er aber die Auswirkungen bestimmter religiöser Lehren oder Weltanschauungen aufzeigen. – Das ist der Sinn dieses Gesetzes.

Ich schließe mich dieser Meinung an und gehe davon aus, daß die Umsetzung dieses Auftrages und die Durchführung aller begleitenden Maßnahmen mit größter Sorgfalt und Toleranz erfolgen werden. Aus diesem Grund stimme ich mit meiner Fraktion – trotz der dargelegten Vorbehalte – für dieses Gesetz. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

16.42

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute – neben manch anderem – diese sehr wichtige Gesetzesvorlage. Es handelt sich um die Errichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen. Sie wird als selbständiger Rechtsträger installiert.

Jedoch wird in ihr der Begriff "Sekte" nicht definiert. Auch in der kürzlich abgehaltenen Sektenenquete ging man von dieser Definition ab. Der sogenannte Psychomarkt, der nicht mehr die typischen Sektenmerkmale aufweist, sondern wesentlich komplizierter und schwieriger abzugrenzen ist, wird damit ebenfalls nicht umfaßt. Diese Regierungsvorlage drückt sich um eine klare Stellungnahme zum Begriff "staatliche Öffentlichkeitsarbeit" herum und beruft sich dabei auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie auf § 1 des DSG.

Die Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen ist ein erster Schritt. Ich meine auch, daß dies ein wichtiger Schritt ist. Trotzdem müssen wir daran Kritik üben.

Wie wird die staatliche Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit tatsächlich aussehen, wenn ihr die Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz, der Mündigkeit des einzelnen, der Entscheidung des einzelnen zur finanziellen Abhängigkeit et cetera entgegensteht?

Welche Koordination wird künftig mit den Sektenberatungsstellen der Länder – das sind die Familienberatungsstellen – bestehen? Werden diese weiter bestehenbleiben? Wenn ja, in welcher Weise und mit welcher Kompetenz? In welche Bereiche fließt dann das derzeit dafür vorgesehene Budget?

Inwieweit wird es eine Duplizität mit der derzeit bestehenden Arbeitsgruppe für Kultusfragen geben, meine Damen und Herren? Werden bereits bestehende Informationen der Sektenberatungsstelle der Länder über die Gefährdung durch Sekten aufgenommen und/oder überprüft werden, oder beginnt man von vorne?

Wird es eine spezifisch auf Schüler und Lehrlinge ausgerichtete Aufklärungsarbeit geben? – Wenn ja, wie? Besteht derzeit eine Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst in dieser Hinsicht? Wie wird sie künftig gestaltet sein?

In bezug auf Sekten sind vielfach die nicht öffentlich zugänglichen Daten interessant. Da der Zugriff darauf nicht möglich sein wird, ist zu fragen: Welche entscheidenden Maßnahmen sind außerhalb der Aufklärungsarbeit von Sektenstellen zu erwarten?

Wie schon betont, meine auch ich, daß dies grundsätzlich eine wichtige Regierungsvorlage ist. Und doch, meine Damen und Herren, erkenne ich einen besonderen Schwachpunkt, den Bun


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