Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 123

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desminister Bartenstein – er weilt in unserer Mitte – zu erkennen geholfen hat. Im Familienausschuß stellte er nämlich fest, daß jede Gefährdung im Sinne des § 4 dieser Vorlage auch auf gesetzlich anerkannte Kirchen- und Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen ausgedehnt werden kann.

Aus diesem Grunde werde ich – wie auch einige meiner Kollegen von der freiheitlichen Fraktion – dieser Vorlage nicht zustimmen können. Sie steht im Widerspruch zum Staatsgrundgesetz, zum Konkordat, zur Menschenrechtskonvention und zum Rechtsverhältnis zu den evangelischen Kirchen. Ich möchte jetzt nicht weiter die entsprechenden Paragraphen der angeführten vier Gesetze vorbringen.

Ich habe auch persönlich den Eindruck, daß aus dieser Dokumentationsstelle ein religiöses Vernaderungs-Bundesinstitut entstehen könnte, ähnlich dem DÖW, dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Soll mit diesem Institut ein Klima des Gesinnungs- und Meinungsterrors geschaffen werden, Herr Bundesminister?

Soll dort mit pseudowissenschaftlicher Aufmachung – möglicherweise, vielleicht auch nicht; ich hoffe, daß es nicht dazu kommen wird – gegen die Autonomie der gesetzlichen Religionsgemeinschaften vorgegangen werden?

Soll dort eine Subversion der Kulturbereiche – zu diesen zählen die Religionsgemeinschaften; manchmal heißen sie auch "Religionsgesellschaften" – unserer Gesellschaft fortgesetzt werden? Soll dort möglicherweise mit einem Gemisch von Lüge, Fälschung und Denunziation die Religionsfreiheit in Frage gestellt werden, und sollen damit die Bürger verunsichert werden?

Meine Damen und Herren! Diese Fragen sind für mich so bedeutend, daß ich dieser Gesetzesvorlage – so vernünftig sie im Grundansatz ist, das möchte ich betonen, Herr Bundesminister! – nicht die Zustimmung geben kann, und mit mir einige Kollegen von uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing das Wort. – Bitte.

16.49

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben heute in einer Zeit, die als pluralistische Wohlstandsgesellschaft fast jedem von uns alle Chancen, alle Möglichkeiten und sehr viele Freiheiten bietet. Das führt dazu, daß sich viele dabei sehr wohl fühlen und diese Chancen auch zu ihrem Nutzen einzusetzen verstehen.

Es gibt aber auch manche, die sich aufgrund der Vielfalt der angebotenen Wertorientierungen nicht mehr zurechtfinden und damit Probleme bekommen. Es gibt heute viele Menschen, die in ihrer Persönlichkeit nicht sehr gefestigt sind, sodaß sie keine Freiheit wünschen, sondern sehr oft die geschlossene Welt – leider häufig auch die einer Sekte – suchen (Bundesrat DDr. Königshofer: Wo bleibt der mündige Bürger?) , nur eine Meinung wissen wollen, diese sehr oft von einem Guru vorgebetet erhalten und sie dann nachleben.

Deshalb war es notwendig, hier Taten zu setzen, was auch von allen Vorrednern bis jetzt so gesehen worden ist. Es geht nicht nur irgendwo anders um Einzelschicksale, wie wir sie von den Davidianern, den Sonnentemplern, den Jones-Anhängern und so weiter her kennen – nachdem in den USA, in der Schweiz oder in Frankreich große Tragödien geschehen sind –, sondern Faktum ist, daß wir es damit auch in Österreich zu tun haben, wie sich aus einer Lifestyle-Umfrage des Fessel+GfK-Institutes ergeben hat, die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie hergestellt wurde.

Aus dieser Studie – Zahlen daraus hat Bundesrat Rauchenberger bereits zitiert – hat sich nach Auswertung von 4 500 Interviews ergeben, daß 77 Prozent der Befragten angegeben haben,


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