Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 252

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Staatsbürgerschaft zu bevorzugen, also zu favorisieren, hingegen die Latte dort höher zu legen, wo eine echte Integration nicht oder nur schwer zu erwarten ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne wurde zunächst § 10 des geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 geändert, der die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine Reihe gesetzlicher Voraussetzungen bindet, insgesamt aber die Verleihung der Staatsbürgerschaft in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde – das ist die Landesregierung – stellt. Es bleibt zwar grundsätzlich die zehnjährige Frist als bindende Voraussetzung aufrecht, einige der weiteren Voraussetzungen werden aber verschärft oder ausgeweitet. So soll in Zukunft schon eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten – bisher von sechs Monaten – ausreichen, die Verleihung der Staatsbürgerschaft auszuschließen. Nicht nur ein bestehendes Aufenthaltsverbot, sondern auch ein eingeleitetes Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung soll in Zukunft zur Versagung der Verleihung führen können.

Von der zehnjährigen Frist kann in Zukunft abgesehen werden, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt und wenn es sich entweder um einen Minderjährigen handelt, der seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren im Bundesgebiet hat, oder sonst einen Fremden, der seinen Hauptwohnsitz seit mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet hat.

Als solche besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes zählt Abs. 5 auf: Verlust der Staatsbürgerschaft anders als durch Entziehung, bereits erbrachte oder zu erwartende besondere Leistungen auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet, Nachweis nachhaltiger persönlicher oder beruflicher Integration, Gewährung von Asyl nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren, Besitz der Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates und die Geburt im Bundesgebiet.

Die Verfassungsbestimmung des § 10 Abs. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz wird dahin gehend verschärft, daß die außerordentlichen Leistungen nicht nur im bloßen Interesse der Republik gelegen sein müssen, sondern in deren besonderem Interesse.

Auch an der dreißigjährigen Frist, nach der ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gesetzlich begründet ist, hält der Gesetzesbeschluß des Nationalrates fest. Aber es genügt ein mindestens fünfzehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn der Staatsbürgerschaftswerber seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist.

Die Einfügung des § 10a verfolgt den Zweck, entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache zu verlangen. Es heißt da: "Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache."

Diese Bestimmung ist gewiß sehr allgemein gehalten, und so mancher wird einwenden, daß die Praxis der Behörden in die Richtung gehen wird, solche entsprechenden Sprachkenntnisse schlechthin einfach anzunehmen. Andererseits würde die Prüfung der Sprachkenntnisse fast notwendig zu unbilligen Härten führen – zu dieser Einsicht gelangt man, wenn man weiterdenkt –, denn das, was der Beruf an Sprachkenntnissen erfordert, wird bereits vorhanden sein, das aber, was der Beruf an Sprachkenntnissen nicht erfordert, zu verlangen, würde letzten Endes zu Unbilligkeiten führen und wieder nur Interventionen Tür und Tor öffnen.

Ich glaube, daß der vorliegende Entwurf der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle entsprechend dem Beschluß des Nationalrates ausgewogen ist und unter den gegebenen Voraussetzungen ein Optimum darstellt. Es wird sich, wie immer bei gesetzlichen Bestimmungen, in Zukunft weisen, ob sie das angestrebte Ziel – dort, wo Integration gegeben ist, die Staatsbürgerschaft leichter zu verleihen, und dort, wo Integration nicht zu erwarten ist, strenger zu sein – auch tatsächlich erreicht.

In diesem Sinne ersuche ich Sie, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.36


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite