Bundesrat Stenographisches Protokoll 644. Sitzung / Seite 77

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So sind für vergleichbare Strecken im deutschen Recht – gewiß kein Land, das Hochstreckenprojekten etwa distanziert gegenüberstünde – zwei Tunnelröhren zwingend vorgeschrieben. Damit stimmt auch überein, daß das 1994 vom damaligen Verkehrsminister, von den ÖBB und von der HL-AG in Auftrag gegebene Gutachten der Zürcher Firma Basler und Partner – auch darauf wurde heute schon hingewiesen – zu dem eindeutigen Schluß kommt, daß nur ein zweiröhriger Tunnel bei gemischtem Personen- und Güterverkehr vor allem unter dicht verbautem, besiedeltem Gebiet und über eine derartige Länge die größtmögliche Sicherheit gewährleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hinzu kommt die Gefährlichkeit von Weichenanlagen in einem Tunnel, wie sie im vorliegenden Projekt mehrfach vorgesehen sind. Von diesem Gutachten will die HL-AG verständlicherweise längst nichts mehr wissen und hielt es auch so lange wie möglich unter Verschluß.

Noch im Jahre 1990 – auch das wurde schon angesprochen – hatte auch die MA 68 eine Gleisführung in einer einzigen Tunnelröhre vom sicherheitstechnischen Standpunkt aus für sachlich unvertretbar erklärt – dies nicht zuletzt auch für den notwendig werdenden Fall von Löscheingriffen und Rettungseinsätzen.

Was allgemein die Sicherheitsprobleme betrifft, hatte noch im Jahre 1977 nach einem durch einen Tankwaggonunfall auf der Verbindungsbahn ausgelösten Großbrand der damalige Wiener Umweltstadtrat Peter Schieder versichert, daß keine überbauten Bahnstrecken errichtet werden dürften, solange auf ihnen der Transport gefährlicher Güter durchgeführt wird. Dieses Verdikt bezöge sich nun zweifellos auch auf einen Eisenbahntunnel unter dicht verbautem Wohngebiet. Das wollte ich nur in Erinnerung rufen. (Bundesrat Payer: Das ist 20 Jahre her!) Ja, aber die Sicherheitskonzepte haben sich seither fortentwickelt und nicht zurückgebildet. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist das Sicherheitsbedürfnis?)

Nur zur Abrundung sei noch auf die Gefährdung des Grundwasserspiegels verwiesen. Immerhin müßte dieser auf einer Länge von zwei Kilometern gesenkt werden.

Ungeachtet all dieser Probleme und der ungeklärten Rechtslage will die HL-AG jedenfalls noch im November mit den Bauarbeiten beginnen. Derzeit liegen aber – das wurde außer Streit gestellt – erst zwei positive Bescheide für zwei von insgesamt vier Abschnitten vor; eine Genehmigung des Gesamtprojekts steht unverändert aus. Ebenso fehlt der naturschutzrechtliche Bescheid. Zudem besteht ja kein Zweifel daran – wir sind diesbezüglich alle realpolitische Praktiker –, daß Teilgenehmigungen eine Eigendynamik, gleichsam eine normative Kraft des Faktischen entwickeln, die dann eine abschließende Genehmigung bereits nahezu präjudiziert.

Abschließend ist festzuhalten, daß meines Erachtens das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr für das Verfahren insoweit sachlich gar nicht zuständig ist, als es für den Bau von Eisenbahntrassen – das ist die Streitfrage – einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, denn gemäß § 39 UVP-Gesetz ist für die Durchführung einer solchen die Landesregierung zuständig. Das wird auch im schon erwähnten Gutachten vom Kollegen Raschauer bestätigt – ein Gutachten, daß auch den zuständigen Behörden einschließlich des zuständigen Bundesministers seit Juni 1998 bekannt ist. Derzeit prüft in seinem Auftrag der Verfassungsdienst diese Frage. Parallel dazu ist von Beschwerdeführern auch bereits der Verfassungsgerichtshof angerufen worden.

Was leitet sich für mich aus all dem ab? – Unsere Forderung geht aus all diesen schweren rechtlichen Bedenken dahin – ich sage für mich, als fachlichen Laien –, keineswegs dieses Projekt einzustellen, sondern vor ihrer Klärung dem Projekt keine abschließende Genehmigung zu erteilen und vor einer solchen keinen Baubeginn zuzulassen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.54

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny. Ich erteile ihm dieses.


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