Bundesrat Stenographisches Protokoll 644. Sitzung / Seite 76

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bereits längst erlassen worden sei, und auf deren Grundlage habe man eben bereits alle bisherigen Teilverfahren abgewickelt.

Vor diesem Hintergrund mutet es als bloße Beruhigungspille für die Öffentlichkeit an, wenn von seiten der Behörde festgestellt wird, daß sie und auch die HL-AG bei der Bauverhandlung ohnehin alle Umweltanliegen beachtet hätten. Die sachliche Richtigkeit oder auch Unrichtigkeit dieser Behauptung muß ich einschlägig geschulten Fachleuten überlassen. In rechtlicher Hinsicht ist jedoch kritisch anzumerken, daß eine Bauverhandlung nicht vornehmlich der Wahrung von Umweltbelangen dient, denn sonst bedürfte es auch heute keiner selbständigen Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des UVP-Gesetzes.

Weshalb hat sich übrigens die HL-AG keiner freiwilligen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, wenn ihr Projekt einer solchen angeblich ohnehin jederzeit standgehalten hätte?! Vor allem aber – und damit komme ich zum neuralgischen Punkt – ist die ausschließliche Bezugnahme auf das UVP-Gesetz und seinen zeitlichen Anwendungsbereich eine völlig verkürzte Sicht der Rechtslage, wird doch dabei verkannt, daß für diese Sachproblematik auch das EU-Recht maßgeblich und nach seiner Einstufung im Rechtsquellensystem sogar vorrangig ist.

Die heute schon erwähnte EU-Richtlinie über die UVP, Nummer 85.337, die seit 1.1.1995 gilt, schreibt jedenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Eisenbahnfernstrecken zwingend vor. Daß diese Vorgabe des EU-Rechts erst pro futuro zu beachten sei, ist eine unbelegte Annahme, die bereits in anderen Sachzusammenhängen zu unangenehmen Überraschungen für Österreich geführt hat.

Im übrigen wurde das eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren erst nach dem 1.1.1995 eingeleitet. Demgegenüber stellt die Trassenverordnung nach § 3 Hochleistungsstreckengesetz keinen staatlichen Rechtsakt im Sinne der UVP-Richtlinie dar, mit dem die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahnfernstrecke erteilt wird. Sie bildet umgekehrt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch gar keine Voraussetzung für den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid.

Die Rechtsmeinung des Bundesministeriums und der HL-AG läuft daher auf eine klare Umgehung des EU-Rechts hinaus. Auch Professor Bernhard Raschauer, nicht nur ein renommierter Fachvertreter des öffentlichen Rechts, sondern immerhin auch ehemaliger Umweltanwalt von Niederösterreich, hat in einem Gutachten, das die Bürgerinitiativen im September bei der letzten Verhandlung im eisenbahnrechtlichen Verfahren vorgelegt haben, auf diese Verpflichtung hingewiesen, die dem von Österreich übernommenen Acquis Communautaire entspricht.

Wenn heute in der Beantwortung der dringlichen Anfrage darauf hingewiesen wurde, daß es sich dabei um eine bloße Richtlinie und keine Verordnung handle, so halte ich dem entgegen –ich stehe mit dieser Rechtsauffassung nicht allein da –, daß die Umsetzung durch das UVP-Gesetz eben keine Erfüllung der Vorgaben der Richtlinie war. Darüber werden aber Höchstgerichte in absehbarer Zeit befinden.

Was die Anrainerrechte betrifft, so sind diese im Eisenbahnrecht durchaus nicht so stark verankert, wie das die HL-AG glauben machen will. Was die aus dem Eigentumsrecht erfließenden Interessen anlangt, müssen Anrainer die Einsprüche infolge erst später zu erwartender Enteignungen oder infolge der Begründung von Zwangsservituten, also von enteignungsgleichen Eingriffen, bereits bei der eisenbahnrechtlichen Bauverhandlung anmelden. Etliche Anrainer haben daher bereits vorsorglich solche Einsprüche erhoben. Selbstverständlich können sich Einsprüche – das ist für mich wesentlich interessanter – auch auf erhebliche Bedenken gegen die Sicherheit gründen.

Im konkreten Fall haben zirka 50 Anrainer Einsprüche unter Berufung darauf geltend gemacht, daß das von der HL-AG eingereichte Projekt nur eine Tunnelröhre vorsieht – Frau Mühlwerth hat das heute bereits mehrfach angesprochen –, dies entspräche aber nicht dem europäischen Sicherheitsstandard.


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