Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 84

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wickeln, und wir sind auf gutem Wege dorthin. So gesehen wird es also noch einige Zeit dauern, bis die Entwicklungsländer an Bord kommen.

Meine Damen und Herren! Die Klimaschutzkonvention ist eine UNO-Konvention. Es sind 185 Staaten zu einem Konsens zu bringen. Da reicht es nicht alleine, die Europäische Union zu einem Konsens zu bringen, sondern über jahrelange aufwendigste Verhandlungsprozesse ist ein Konsens von 185 Staaten, darunter 145 Entwicklungsländern, herbeizuführen. Das ist nicht so einfach, und auch im Lichte dieser Erwartungshaltung war Buenos Aires ein relativer Erfolg.

Herr Bundesrat Leichtfried! Sie haben völlig recht: 5 Prozent werden à la longue zuwenig sein, viel zuwenig. Ganz im Gegenteil: Die Industrieländer wissen, daß sie innerhalb der nächsten, sagen wir, 50 Jahre etwa zwei Drittel ihres derzeitigen Energieverbrauchs einschränken müssen, und zwar entweder durch Umstieg oder durch Einsparung. Von den Techniken, wonach Kohlendioxidüberschüsse in den Ozeanen oder in Bohrlöchern von Erdölquellen entsorgt werden können, lese ich immer nur, aber das ist, so glaube ich, bis jetzt reine Theorie. Diese zwei Schienen gibt es, die zu beschreiten sind, aber der Weg wird ein mühevoller werden.

Es war ein durchschlagender Erfolg in Kyoto, gerade von den Amerikanern, aber auch von den Japanern diesen ersten Schritt zugesagt zu bekommen, diese minus 5 oder minus 5,2 Prozent. Es ist richtig, daß die Europäer mit der Erwartung von minus 15 Prozent hingefahren sind, es ist aber genauso richtig, daß die Amerikaner mit plus/minus 0 Prozent hingefahren sind. Wir haben uns zu minus 8 Prozent verpflichtet, die Amerikaner zu minus 7 Prozent, die Japaner nunmehr schon zu minus 6 Prozent.

Es war auch klar – die Frau Staatssekretärin als ehemalige hochrangige Mitarbeiterin der UNO kann das, denke ich, mehr als nur bestätigen –, daß wir nach Kyoto jetzt nicht innerhalb einiger Monate Verhandlungsprozeß diese innovativen, aber dann über Jahrzehnte bedeutungsvollen flexiblen Instrumente fertig entwickeln können. Wir beschreiten da völliges Neuland. "Trading" und "CDM" und "Joint-implementation" – das klingt alles sehr gut, aber mehr als die Überschriften davon hat man in Kyoto nicht gehabt. Man hat jetzt etwas mehr. Man hat auch etliche Punkte, bei denen zum Beispiel wir und die Amerikaner sagen: We agree to disagree – wir wissen, wo wir voneinander getrennt sind, insgesamt nämlich vor allem in der Ausnutzungsmöglichkeit dieser flexiblen Mechanismen.

Wir Europäer sind der Auffassung, wir haben zuerst einmal Klimaschutz als Hausaufgabe zu sehen. Flexible Mechanismen dürfen nur ergänzend zu Hausaufgaben, zur "domestic action" verwendet werden, die Amerikaner möchten da völlig frei sein. Da gibt es dann wunderschöne Lippenbekenntnisse, wonach die Amerikaner aus markttechnischen Gründen keine Obergrenzen wünschen, aber insgesamt natürlich auch vor allem die Hausaufgaben machen wollen. Außerordentlich befremdlich ist es dann, wenn Briefe amerikanischer Industriekreise an den amerikanischen Chefverhandler Stewart Eisenstatt in Buenos Aires auftauchen, die besagen, daß die amerikanische Industrie davon ausgeht, daß 80 bis 90 Prozent der Klimaschutzmaßnahmen extern, also woanders, gemacht werden.

Warum sind wir Europäer der Auffassung, daß wir zuerst unsere Hausaufgaben machen sollen? – Das ist nicht ausschließlich europäischer Selbstzweck, sondern das läuft auch darauf hinaus, daß wir uns in dieser Frage solidarisch und loyal mit den Entwicklungsländern zeigen. Die werden niemals mitgehen bei einem Konzept, bei dem sie wiederum die Lasten des Klimaschutzes tragen müssen, während auf der anderen Seite die USA weiterhin ihre CO2-Emissionen und die anderen Treibhausgase erhöhen.

Wir Europäer sind relativ gut unterwegs. Wir können der prinzipiellen Verpflichtung der Klimaschutzkonvention, § 4 Abs. 2a und b – ich kenne das seit der vergangenen Woche tatsächlich auswendig, auch im Schlaf, im Notfall auch im Traum –, nachkommen. Wir können die Stabilisierungsvorgaben, bis zum Jahre 2000 auf unseren 1990-Niveaus zu verbleiben, im großen und ganzen mit plus/minus erfüllen, die Amerikaner hingegen liegen nach den derzeitigen Projektionen bei weitem darüber, nämlich zwischen plus 10 und plus 13 Prozent.


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