Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 190

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

schnellen Entschlüsse vom Internationalen Währungsfonds gefaßt werden können, da Politik im Spiel ist und Politik bekanntlich – weil viele Personen und Parteien zusammenspielen müssen – in solchen Fällen nicht so schnell zu verwirklichen ist.

Weiters spricht gegen die Tätigkeit des Internationalen Währungsfonds das moralische Hasard. Das moralische Hasard ist folgendes, meint Gary Becker: Wenn Sie wissen, daß Ihnen jemand helfen wird, so sind Sie gleich bereit, größere Risken einzugehen. Das gibt es auch in Familien zwischen Eltern und Kindern. Der Internationale Währungsfonds hat diese Elternrolle gegenüber den Ländern, aber auch gegenüber den westlichen Investoren. Das heißt, das Risiko für die Geldnehmer ist ungeheuerlich gering, wenn sie wissen, daß immer wiederum der Internationale Währungsfonds einspringt, um Fehlinvestitionen und Fehlentscheidungen gutzumachen. – Der Internationale Währungsfonds soll jedoch beraten. Er soll technische Hilfe leisten. Darauf soll er sich beschränken, er soll jedoch nicht ständig Schuldnerländer auslösen. Die Schulden dieser Länder beruhen nicht in erster Linie auf Fehlern des Marktes, sondern sie sind vielfach die Folge der Fehler von Regierungen, einer schlechten Wechselkurspolitik und – beklagenswerterweise – die Folge eines Mißmanagements des Internationalen Währungsfonds, welches ursächlich von politischer Seite bewirkt wird.

Wenn es stimmt, daß erfolgreiche Wirtschaftspolitik zum Großteil aus Psychologie besteht, dann haben die politisch Verantwortlichen beim Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank im Herbst dieses Jahres versagt. Finanzministern und Notenbankgouverneuren aus 182 Ländern – ich glaube, der Herr Bundesminister war mit dabei – gelang es nicht, eine Weltuntergangsstimmung zu bannen. Es gab zu viele große Worte von einem neuen Bretton-Woods-System, von einer fundamentalen Reform der Weltbank und von einer fundamentalen Reform des Internationalen Währungsfonds – und dies, obwohl seit drei Jahren, spätestens seit der Peso-Krise in Mexiko, eine Verbesserung der Finanzarchitektur zu erfolgen scheint.

Natürlich darf es auch kein fluchtartiges Verlassen dieses Systems und auch kein fluchtartiges Im-Stich-Lassen eines kranken Landes geben. Die Hilfe darf nicht ad hoc aufhören. Es müssen aber schwierige rechtliche Fragen vor der Hilfeleistung oder vor Beendigung der Hilfe geklärt werden. Brasilien soll gemeinsam vom Internationalen Währungsfonds, von der Weltbank und von weiteren multilateralen und bilateralen Kapitalgebern saniert werden. Brasilien muß aber entscheidend selbst mitwirken. Die Vereinigten Staaten sollen solche Selbstmitwirkungshilfen eines Landes nicht länger blockieren.

Bundesbankpräsident Tietmeyer fordert keine neue Architektur, sondern eine Verbesserung der bestehenden Architektur. Der Internationale Währungsfonds muß seine Ressourcen besser nutzen und seine Hilfsprogramme transparent machen. Der Finanzwissenschafter aus den Vereinigten Staaten, Charles W. Calomiris, beriet 1995 die mexikanische Regierung im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Jetzt ist er stärkster Kritiker der Clinton-Doktrin des "global financial buy-out".

Engpässe zu beheben ist die Aufgabe des Internationalen Währungsfonds nicht. Es ist nicht Aufgabe des Internationalen Währungsfonds, Insolvenzen der Banken plus Kreditunternehmungen abzudecken; das soll er nicht tun. Denn so erfolgt eine unerwünschte Umverteilung von Steuerzahlern zur Oligarchie, eine Förderung exzessiv riskanten Verhaltens und ineffizienter Investitionen, eine Behinderung der Deregulierung sowie ökonomischer und politischer Reformen. Die Politik des Internationalen Währungsfonds stützt einerseits die korrupten Oligarchen in den Entwicklungsländern, andererseits schützt sie die ausländischen Kreditgeber, vor allem die großen Banken, vor Verlusten. Sie fordert nichts, sie verhindert Reformen, meint Calomiris aus den Vereinigten Staaten.

Zu den Außenständen des Internationale Währungsfonds: In Thailand sind es 18 Milliarden Schilling, in Indonesien 43 Milliarden Schilling, in Südkorea 57 Milliarden Schilling, in Rußland 23 Milliarden Schilling, und für Brasilien sind weitere 30 Milliarden Dollar gefordert. Für seine Auslösungsaktivitäten aus der Schuld hat der Internationale Währungsfonds in den letzten 15 Monaten 171 Milliarden Dollar oder 2 000 Milliarden Schilling aufgewendet.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite