Bundesrat Stenographisches Protokoll 648. Sitzung / Seite 9

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Es ist wieder einmal so, daß Richtlinien im letzten Augenblick, teilweise in einem Husch-pfusch-Verfahren, ins Parlament gebracht und hier zur Abstimmung gestellt werden.

Inhaltlich ergibt sich hier nicht viel, es sind eher formale Anpassungen. Es gibt einige neue Schutzbestimmungen für Kinder und Jugendliche und eine Modifikation der Beschwerdemöglichkeiten.

Wenn man sich die Regierungsvorlage, die mir hier zur Verfügung steht, die aber dann noch abgeändert wurde, ansieht, dann ist beachtlich, daß es im § 2 Abs. 3 heißt, daß Fernsehprogramme keine Sendungen enthalten dürfen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können. Hingegen dürfen Programme, die die Entwicklung sehr wohl beeinträchtigen, aber nicht schwer, schon gesendet werden, wenn die Sendezeit so gewählt ist, daß die Jugendlichen nicht die Möglichkeit haben, es zu sehen – Frage: wer kontrolliert? –, oder wenn technische Mittel eingebaut werden, die immer wieder während der Sendung darauf hinweisen, daß es sich um eine Sendung handelt, die für Jugendliche nicht geeignet ist.

Meine Damen und Herren! Hier stellt sich schon die Frage: Wer beurteilt denn eigentlich, ob eine Sendung die Entwicklung Jugendlicher schwer oder weniger schwer beeinträchtigen kann, und wer ist für den Vollzug verantwortlich? Oder wollen Sie in jedes Heim, in jede Wohnung gehen und in der Nacht nachsehen, ob nicht vielleicht ein Jugendlicher vor einem Fernsehapparat sitzt und sich derartige Sendungen anschaut? Ich halte das für eine Bestimmung, deren Vollzug mehr als problematisch ist!

Des weiteren ist hier aufgenommen und in das Gesetz eingebaut, daß der Österreichische Rundfunk der Sendung von europäischen Werken – entsprechend Artikel 6 der Richtlinie 89552 EWG – den Vorrang geben sollte. Das ist an sich eine recht erfreuliche Bestimmung, die zeigt, daß sich die EU doch Gedanken über ein europäisches Kulturerbe im weiteren Sinne macht und meint, daß dieses Kulturerbe auch über die elektronischen Medien weiterzugeben wäre.

Wir werden in Zukunft zu beobachten haben, inwiefern sich der ORF auch daran hält. Denn wenn man sich so die Programmgestaltung – gerade am Wochenende – ansieht, dann merkt man, daß mehr US-Horrorthriller und andere Filme im Programm sind als solche eines europäischen Kulturerbes. Ich denke daran, daß es in Europa eine Zeit gegeben hat – das war in den sechziger und siebziger Jahren –, in der sehr gute Filme gedreht worden sind, vor allem auch in Frankreich, in England, aber auch in Deutschland und Österreich. Man sieht da sehr wenig davon. Vielleicht kann diese Regelung wieder neu motivieren, sodaß auch europäisches Programm im Rundfunk, im österreichischen Fernsehen, wieder gezeigt wird.

Des weiteren ist ein sehr bemerkenswerter Passus in der Regierungsvorlage enthalten. Im § 5 Abs. 1 heißt es: Der Österreichische Rundfunk hat einen Teil seiner Sendezeit an die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien zu vergeben. – Das ist eine klassische Regelung, eine Privilegienregelung, wie man sie ja kennt. Diese wurde offensichtlich nach Durchsicht der Regierungsvorlage wieder umgestoßen, weil sich die gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen auf die Zehen getreten fühlten, da sie dann die Möglichkeit der Gratiswerbung im Rundfunk nicht mehr gehabt hätten. Man hat also diese Möglichkeit wieder hineinreklamiert.

Meine Damen und Herren! In dieser Passage sieht man die ganze Problematik des Rundfunkwesens in Österreich. Daran können Sie erkennen, warum wir in diesem Fall nicht zu echten Reformen kommen, warum wir zu keiner Privatisierung kommen. Eine echte Privatisierung setzt Rundfunkfreiheit voraus, also die Möglichkeit, daß eben mehrere private Rundfunksender in einem Land bestehen. Private Rundfunksender haben eben nicht mehr die Möglichkeit, irgend jemandem Gratissendezeiten einzuräumen.

Unser Ziel ist es, in diese Richtung zu gehen, so wie das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich aufgetragen hat. Deshalb können wir solche Passagen nur demaskieren und darstellen, wie sie sind. Wir wollen eine freie Rundfunkgesellschaft, mehrere Gesellschaften, und jeder, der werben will, kann sich dann dort Werbezeit entsprechend kaufen. So aber handelt es sich nur um ein Privileg für die im Nationalrat vertretenen politischen Par


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