Bundesrat Stenographisches Protokoll 649. Sitzung / Seite 22

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etwas in ihrer Euphorie zu dämpfen. Die Beurteilung Ihrer Präsidentschaft, meine Herren der Regierung, fällt nämlich ausgesprochen zwiespältig aus. Wir Freiheitliche wollen allerdings nicht behaupten, daß während dieses halben Jahres alles falsch gelaufen sei. Es hat ja zugegebenermaßen – Sie sind darauf auch eingegangen, Herr Vizekanzler – seine Tücken, als kleines Land eine solche Präsidentschaft übernehmen zu müssen. Und es ist wohl klar, daß nicht von heute auf morgen der Schwanz mit dem Hund zu wedeln beginnen wird. Es geht uns aber darum, zu beurteilen, was unabhängig von der Größe unseres Landes, von der Durchschlagskraft unserer Politiker und von der Dauer der Mitgliedschaft in der Europäischen Union während dieses halben Jahres hätte geschehen können und was von Ihnen versäumt worden ist.

So kann es auch nicht verwundern, meine Herren von der Regierung, daß es zu Ihrer Präsidentschaft in der Öffentlichkeit zu einem bemerkenswerten Echo in der heimischen und in der internationalen Presse gekommen ist. Es ist hier zu lesen von einer "mageren EU-Präsidentschaft", von einem "Gipfel der Platitüden". Es wird davon gesprochen, daß Sie vollmundig agiert hätten, daß der Gipfel ein flacher war, daß es dabei um neue Worthülsen und keinen Fortschritt gegangen sei.

"Ganze Kraft für halbe Arbeit": "Was vor Wochen als Geist von Pörtschach beschworen wurde", steht hier zu lesen, "ist nichts weiter als Chimäre".

"Auf dem Gipfel der Freundschaft vertrödeln Europas Macher die notwendigen Reformen", lautet eine Überschrift. "Der Katzenjammer nach der EU-Präsidentschaft Österreichs" wird in der Zeitschrift "Gewinn" dann auch noch dokumentiert.

Die internationalen Pressestimmen, meine Herren von der Regierung, waren bei weitem auch nicht freundlicher. Der Berliner "Tagesspiegel" fordert in einem Leitartikel "Schluß mit den Europa-Lügen" und beklagt die langsamen Fortschritte der EU bei wichtigen Themen: "Auch Wien" – stand dort zu lesen – "ist eine Enttäuschung. Der Klub der 15 tingelt durch Europa nach dem Motto: Was wir nicht in diesem Halbjahr schaffen, erledigen wir im nächsten – oder wieder nicht."

Die "Sunday Times" sprach von Wien als dem Gipfeltreffen, das mit den wachsenden Finanzproblemen der Europäischen Union nicht fertig wird. "El Mundo" in Madrid sprach vom Wiener Gipfel, der in die Geschichte eingehen werde als einer jener Momente, in denen der Zug nicht weiterfahren konnte, weil sich die Lokführer nicht einig sind, auf welcher Route sie weiterfahren sollen. Und die italienische Presse kritisierte Ihre Arbeit als Gipfel der Aufschiebungen.

Meine Herren von der Regierung! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wir von der freiheitlichen Opposition wollen ja nicht ungerecht sein. Sie haben sich – und der Herr Vizekanzler ist darauf auch eingegangen – ja redlich bemüht. Sie, Herr Vizekanzler, und auch Ihr Regierungschef waren sich wohl nicht immer ganz einig, wer jetzt wessen Mittagessen fortsetzt. Sie haben sich aber doch während dieses halben Jahres mächtig in Szene gesetzt.

In der Zeitschrift "Gewinn" in der Nummer 1/99 wird das von einem Anonymus treffend skizziert – ich darf zitieren –: "Klima" – wird hier geschrieben – "war scheint’s überall – und dazwischen eröffnete er noch dies und das, mal mit einem lieben Tierchen, mal mit einem treuen Parteifreund. Völlig anders hingegen die Situation für ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel. So ungerecht kann die Politik sein: Er hat während Österreichs EU-Vorsitz hervorragende Arbeit geleistet, ist von Termin zu Termin gejagt, hat geschickt verhandelt" (Beifall bei der ÖVP), "ist seinem Ruf" – es geht noch weiter; die Komplimente gehen noch weiter – "als ,blitzgescheiter Kerl‘ voll gerecht geworden, hat auch seine Belastbarkeit und seine Internationalität eindrucksvoll unter Beweis gestellt – nur" – und das ist der Pferdefuß, Herr Vizekanzler – "in Österreich hat die Öffentlichkeit kaum etwas davon gemerkt.

Während Klima brillierte, wirkte Schüssel stets wie sein Sekretär; nicht wie Österreichs Vizekanzler. ...


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