Bundesrat Stenographisches Protokoll 649. Sitzung / Seite 66

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Ihr Gleichnis, Herr Minister, mit den Nahversorgern, nämlich daß es im Vergleich zum Greißlersterben dem Tourismus richtig gut gehe, wie Sie es schon ein paar Mal gesagt haben, ist für mich eine galgenhumoristische Einlage zur Überspielung der katastrophalen Situation im österreichischen Fremdenverkehr! Im ungünstigsten Fall ist Ihnen in diesem Zusammenhang ein wenig Zynismus zu unterstellen, weil Sie nicht davor zurückschrecken, die dramatische Situation im Bereich der Handels- und Gewerbetreibenden, für die Sie höchstpersönlich Verantwortung tragen, als jenen Bereich anzuführen, im Verhältnis zu dem der Tourismus noch gut dasteht.

In welchen Ihrer Verantwortungsbereiche Sie, Herr Bundesminister, nunmehr eine schlechtere Situation als in anderen anzutreffen glauben, bleibt dahingestellt. Tatsache ist aber, daß angesichts der bekannten tatsächlichen Zahlen – für mich sind Statistiken, genauso wie für Sie vorhin die Nächtigungsstatistiken, nur die Steigerung von Notlügen – und der nach wie vor vorhandenen strukturellen Probleme im Tourismusbereich im Moment kein Ende der Krise abzusehen ist.

Da nützt auch das Plus im August nichts, das bis Juli 1998 noch ein gewaltiges Minus war. Es nützen auch vier Wochen, wie Sie gesagt haben, totale Ausbuchung und die Winterauslastung im Tourismus nichts! – Meine Damen und Herren! Tourismus ist mehr. Es steht fest, daß wir kleinen und mittleren Betriebe uns nicht "zu Tode streicheln" lassen wollen, wie Herr Helmut Peter am Montag gesagt hat. In diesem Punkt muß ich ihm recht geben, nämlich daß das mit all den Förderungen, die uns angeboten werden, versucht wird. Aber Sie haben nicht einmal darüber nachgedacht, ob es andere Lösungen als Zu-Tode-Streicheln oder eine Abfertigung, damit man zusperrt, geben kann. Unsere Wirtshäuser sind nicht krank, Herr Minister, sondern Opfer eines jahrzehntelangen Mordversuches unserer Regierung. (Rufe bei der SPÖ: Wahnsinn!) Sie als Volksvertreter haben angesichts dieses Dauertatbestandes eine erste Sofortpflicht, nämlich Anzeige und Anklage.

Wirte mit staatlichen Geldern zu fördern, ist angesichts dieses Tatbestandes meiner Meinung nach ein unüberbietbarer Zynismus. Sie würden in Gestalt ihrer Förderung nur einen winzigen Teil jenes Geldes zurückbekommen, das jahrzehntelang aus ihren Taschen gezogen wurde. Sie sollten wissen, Herr Minister, daß es in der Wirtschaft, auch in der Gastwirtschaft, nur eine einzige Wertschöpfungsquelle gibt, und das ist der Markt. Wo immer der Staat bisher versucht hat, eine fehlende Nachfrage des Marktes auszugleichen, hat er jämmerlich Schiffbruch erlitten. Es fiel nur nicht besonders auf, weil wir, die Staatsbürger, immer dafür bezahlten. Nur weil Juristen und nicht Ökonomen Gesetze schreiben, gibt es keine Bedarfsprüfung. Ich wiederhole jetzt das, was der Herr Präsident am Anfang gesagt hat, nämlich daß es für Gesetze keine Wirtschaftlichkeitsrechnung, keine Finanzierungskalküle gibt. In der Privatwirtschaft heißt solch eine Unterlassung betrügerische Krida, Herr Minister! (Bundesrat Schöls: Das ist stark!)

Der drastische Rückgang der Zahl der Wirtshäuser – das ist Ihnen bekannt, Sie haben es auch angeschnitten, und es wäre begrüßenswert, wenn das einmal mitgeteilt würde – betrug allein zwischen den Jahren 1987 und 1997 15,2 Prozent. Wenn Sie sich die Analyse über den allgemeinen Rückgang, die Sie alle kennen, genau ansehen, dann wissen Sie, wie es tatsächlich ausschaut. Ich verwahre mich dagegen, daß die Kollegen beschuldigt werden, daß sie nicht wirtschaften können. Wer daran alleine schuld ist, ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir brauchen ein eigenkapitalfreundliches Steuersystem! Anstatt den Betrieben zuerst durch Steuern alles wegzunehmen, um ihnen danach gnädigerweise Schulden nachzulassen, will die Freiheitliche Partei, daß die Gewinne in den Betrieben gelassen werden, um damit die Finanzierung von Investitionen aus dem Cash flow zu ermöglichen. Das ist besser, als Bürokratien zu schaffen, die darüber entscheiden sollen, ob ein Betrieb lebensfähig ist oder nicht.

Zum Thema "Her mit neuen Arbeitsplätzen" möchte ich noch anfügen: Der wahre Jobmotor sind die privaten Klein- und Mittelbetriebe, auf sie entfallen mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten. Sie haben einen Anteil von über 60 Prozent an der Wertschöpfung in unserem Land. 84 Prozent aller Lehrlinge werden im Gewerbe, im Handel und im Tourismus ausgebildet, Herr Minister!


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